Nach der Zerstörung der Hauptstadt
Lodurva suchten die Bhattis für ihre neue Festung eine geschnütztere
Lage. Es bot sich der etwa 80 m aus dem Plateau aufsteigende Hügel an.
Gemäß der Sage gründete Rawal Jaisal, der Bhatti-Regent des
Yadav Clans, dieses bedrohlich wirkende Fort im Jahre 1156 auf dem Hügel-Trikuta.
In ganz Rajasthan wird der mystische Trikuta in Balladen besungen. Es ist überliefert,
daß Gott Krishna, der Schöpfer der Bhagwat-Gita (Epos)
vorausagte, daß ein Mitglied seines Clans sein Königreich auf
diesem Tafelberg gründen würde. Als Arjun die Möglichkeit zu
gründen, wo Mensch und Tier zweifellos zugrunde gehen würden, berührte
Krishna den Hügel, aus dem daraufhin eine Süßwasserquelle
entsprang. Heute noch steht diese Wasserquelle an der Seite einer breiten
Marmortreppe im Fort. In der Tat sind Jaisalmer und die Umgebung innerhalb
eines Radius von ca. 17 Km. reichlich mit unterirdischem Wasser versorgt.
Man ist versucht, sich zu fragen, ob die Sage nicht doch der Wirklichkeit
entspricht?
Aus diesen und anderen Gründen erscheint dieses Fort wie ein
surrealistisches Gemälde. Inmitten des weiten, einsamen Landes erhebt
sich diese trotzige Sandsteinzitadelle wie ein architektonisches Wunderwerk.
Gegen den blauen Himmel und die braune Wüste gesehen, erscheint das
zweitälteste Fort von Rajasthan wie eine Märchenstadt.
Diese imposante, dreieckige Festung Jaisalmer (Berg des Jaisal) ist 500 m
lang und 250 m breit. In ihren Mauern hat sie 99 Bollwerke, von denen aus
sie früher verteidigt wurde. Die goldene Zitadelle ist von einem Wall
aus soliden Steinblöcken umgeben. Dieser Schutzwall diente als zweite
Verteidigungslinie. Insgesamt wurden 7 Bastionen angelegt, um die Zitadelle
zu verstärken. Der Verstärkung diente auch eine zweite, 5m hohe
Mauer, die parallel zum Hauptwall verläuft. In einer dritten Bauperiode
(1633-47) wurden weitere 92 Bastionen in der Höhe von 20-40 m
hinzugebaut. In der vierten Periode, der Friedenszeit des 18. Jhdt., als die
Festung nicht mehr militärischen Zwecken dienen mußte, zogen die
Bürger aus der eng gedrängten Festung aus und legten in der
Umgebung Straßen und Häuser für Wohnzwecke an. Im 19. Jhdt.
Wurde eine Stadtmauer errichtet, damit die Büger nicht mehr wahllos auf
dem freien Feld um die Stadt herum ihre Wohnbauten errichten konnten. In
dieser Zeit entstanden die schönen Havelis (Patrizierhäuser) in
der Stadt. Im 16.Jhdt. wurden 3 elegante Torbauten errichtet. Im Nordosten
ist das Fort über diese Tore zugänglich. Einer Vorburg gleich,
wurde ein viertes Tor im 18. Jhdt. Hinzugefügt. Suraj Pol, Ganesh Pol
mit dem Bild des elefantenköpfigen Gottes und Hawa Pol (gewaltiger
Torbogen unterhalb des Palastes) schützen den einzigen Zugang zur
Oberstadt.
Das Sonnentor (Suraj Pol) hat einen steinernen Reliefbogen in Form eines
Elefantenrüssels. Er ist ein typisch hinduistisches Schmuckelement. Hölzerne
Gitter (Torans) werden auf dem Stadttor aufgehängt, um von Gott Indira,
dem Herrn der ``himmlischen Wasser``, heiß ersehnten Regen zu
erflehen.
Nach
einem kurzen Spaziergang über steilen, geplasterten Pfad betritt man
durch das Windtor einen weiträumigen Platz, der von einem herrlichen
Marmorthron beherrscht wird, dem Diwan-I-Am, von dem der Besucher unterhielt
und Hochzeiten feierte. In diesem Hof ereignete sich auch das grausame Johar
(Massenselbstmord) Im Jahre 1297 griff der mächtige Sultan
Allaud-Din-Khilji von Delhi die Stadt an, um die Kontrolle über diese
Handelsroute zu gewinnen. Bei aussichtsloser Verteidigung dieses Forts zogen
die kriegerischen Fürsten Bhatti ihre safrangelben Hochzeitsroben über
die Ritterrüstungen, öffneten die Burgtore und stürzten dem
Feind mit angelegten Lanzen und gerückten Schwertern entgegen. Sie kämpften,
bis der letzte Jüngling im Kampf starb. Wer nicht fiel, beging
Selbstmord. Um nicht lebendig in die Hände der Gegner zu fallen, hüllten
sich die Frauen nach einem rituellen Bad in ihre Brautkleider, schmückten
sich mit dem Hochzeitsgeschmeide und Blumen und schritten in feierlicher
Prozession zum Scheiterhaufen. Heilige Verse singend, sprangen sie mit ihren
Kindern in die Flammen. Diesen tugendhaften Frauen (genannt Satis) wird in
den heiligen Schriften eine Wiedergeburt mit ihren Gatten im Paradies verheißen.
Solch grausames Geschehen wiederholte sich in der Geschichte der Stadt
dreimal. Jedes Jahr gedenken die stolzen Einwohner Jaisalmers ihrer
heroischen Vorfahren, und in Erinnerung an ihr Ofper wird hier ein großer
Markt abgehalten.
Von diesem Platz führt eine Seitengasse entlang der Tribüne bis
zum Schutzwall. Kanonen am Schutzwall und runde auf den Gefechtstürmen
dienten als Waffen, um Feinden den Eintritt zu verwehren. Von hier hat man
die beste Aussicht auf die labyrinthartige, ummauerte Stadt. Hierher sollte
man in der Abenddämmerung zurückkehren, wenn eine Kette wippender
Pünktchen, anscheinend Glühwürmchen, die Dunkelheit der
umgebenden Wüste durchzieht.
Diese
Festung erlebte viele Kämpfe gegen raubgierige Türken, Moghulen,
aber auch gegen die Rathor-Herrscher, die sich immer wieder das Gebiet
aneignen wollten. Dieses kriegserprobte Fort ist stummer Zeuge einer
kriegerischen Vergangenheit und erinnert an die Zeit der Bhatti-Rajputen und
an ihre geistige Haltung als Ehrenmänner, die Tapferkeit über
alles stellten. Die glorreichen Taten und der Widerstand der tapferen
Rajputen von Jaisalmer leben im Herzen des Volkes weiter. Ungefähr ein
Viertel der Stadtbevölkerung lebt innerhalb des Forts. Dieses
Fortalsmittelalterliches Architekturjuwel höchsten Ranges, steht unter
Denkmalschutz. In den enggewordenen Gäßchen scheint die Zeit
stillzustehen. Kein Verkehr stört den Lebensrhythmus der wenigen, aber
stolzen Bewohner.
Im Fort befinden sich der Stadtpalast, zahlreiche Tempel und Privathäuser
mit ihren filigranen und zierlich vergitterten Fenster und Fassaden, die den
Besucher in Erstaunen versetzen.
Stadtpalast
Gleich hinter dem massiven Tor zum Fort erhebt sich der kunstvolle, fünfstöckige
Stadtpalast, dessen traditionell "blinde Zanana (Haremsbereich)
im Erdgeschoß nach oben in eine Reihe von ausgemeißelten Säulen
vorsprüngen übergeht. Die vier anschließenden Mahals (Paläste)
gehörten den fürstlichen Gemahlinnen und Konkubinen. An den
Balkonen und Fenstern demonstrierten die Steinmetze ihre Kunst in vielfältigen,
filigranen, lichtdurchlässigen Mustern. Um die Feste besser verteidigen
zu können, sind die Innenräume traditionell auf unregelmäßig
verschobenen Ebenen angelegt und durch Stufen und Gänge verbunden.
Reste von Kacheln, Wandmalereien und Verzierungen in Spiegelglastechnik
haben sich erhalten. Der oberste Turm, auf dem das Wappenzeichen für
die Würde der Bhatti-Rajputen, ein metallener Schirm, aufgestellt ist,
bietet auch eine weite Aussicht auf die Stadt und die umgebende Wüste.
Besuchen
Sie die goldene Stadt Jaisalmer