Der Name der Wüstenrandzone zwischen Delhi, Bikaner und Jaipur beruht
auf dem Rajputenherrscher Rao Shekhaji, der hier 1471 ein kleines Fürstentum
gründete. Die Marwaris, wie die Bewohner dieser Region genannt werden,
häuften mit der ihnen eigenen Kombination aus Geschäftstüchtigkeit
und Sparsamkeit recht schnell einen bescheidenen Wohlstand an. Hierbei
schlugen sie vor allem aus der geographisch sehr günstigen Lage ihrer
Provinz Nutzen, die am Knotenpunkt bedeutender Handelsrouten lag, die bis
nach China, Afghanistan und Persien führten. Durch den intensiven
Handel mit Gold, Juwelen, Seide und anderen wertvollen Gütern reich
geworden, versuchten sich die einzelnen Kaufmannsfamilien durch den Bau
prunkvoller Wohn-und Geschäftshäuser den sogenannten Havelis,
gegenseitig zu übertrumpfen.
In den vielen kleinen Orten in Shekhawati liegen diese weitläufigen
alten Havelis mit den aufwändigen Wandbildern wurden zwischen dem späten
18. und dem frühen 20. Jahrhundert von den Marwari-Kaufleuten der
Region erbaut, die in den Hafenstädten Mumbai (Bombay) und Kalkutta
(Kolkata) ein Vermögen gemacht hatten. Ihr Kontakt mit den Briten und
der modernen, städtischindustriellen Welt hatte ihren Lebensstil verändert,
ihre Häuser spiegeln diese neuen Ideen ebenso wider wie ihren Wohlstand
und Status.
Die Havelis waren ganz auf diesen Warenverkehr und Umschlag ausgerichtet.
Sie sind den in der islamischen Welt üblichen Fonduks verwandt, die als
Warenlager und Wohnhaus dienten. Ein gut verschließbares hohes Tor,
das auch beladene Kamele passieren können, führt in einen
allseitig von mehrstöckigen Gebäudeflügeln umschlossenen äusseren
Hof. Hier lagen der oftmals besonders prachtvoll ausgeschmückte
Empfangsraum (Baithak), in dem der Hausherr seine Gäste empfing, aber
auch die Quartiere für die Männer und Lagerräume. Kleine Türen
führten in den zweiten privaten Hof des Haveli, wo sich das häusliche
Leben abspielte. Nur durch ein kleines Fenster in der Verbindungswand
zwischen den Höfen konnten die Frauen einen Blick auf das Geschehen im
vorderen Hof werfen. In den Obergeschossen lagen die Wohnräume des
Handelsherren und seiner Familienmitglieder.
Die Wahl der Themen war eine interessante Mischung und wurde in
erster Linie von der Einbildungskraft der Maler beeinflußt. Anfangs
waren Arabesken mit Blumenmustern, Vögel und dergleichen mehr die
Hauptmotive. Allmählich kamen aber religiöse Motive hinzu, sowie
Szenen aus den zwei Epen (dem Ramayana und dem Mahabharata) und den lokalen
Volksmärchen und erzählungen. In den frühesten
Darstellungen kommen Motive mit europäischem Einschlag selten vor. Später
jedoch kann man an den Fassaden zahlreicher Havelis solche Motive
dutzendweise zu sehen bekommen Eisenbahnen mit Dampflokomotiven, Fahrräder,
eine weiße Frau in einer Badewanne, eine kirchliche Trauung, ein
Grammophon, der erste Flug der Brüder Wright und vieles mehr.
Die üppig bemalten Havelis waren nicht der einzige Beitrag der
Marwaris zu Shekhawati. Diese trockene Halbwüstengegend benötigte
viel Wasser. Getreu ihren Hochzeitsgelübden erfüllten die
Kaufleute auch diese Forderung. Kunstvoll ausgearbeitete Brunnen mit einem
Reservoir, eingelassen in eine Plattform etwa zwei Meter über dem Boden
sprossen überall hervor. Die vier oder auch zwei bis zu 8 m hohen Säulen
auf der Plattform dienten als eine Art Leuchtturm für müde und
durstige Reisende, die durch deren Anblick neuen Mut schöpften. Die
Brunnen waren meist mit Steinplatten ausgelegt und hatten an den vier Ecken
jeweils eine Kuppel. Die Kamele und das Vieh konnten an den Bäumen
rings um den Brunnen festgebunden werden.
Wasser bekamen sie aus dem Abfluß unterhalb der Plattform, von dem
auch die Felder bewässert wurden.
Die schönsten Malereien findet man im Shekhawati, insbesondere in
Mandawa, Alsisar und Fatehpur.