Lebensweise der Wüstenbewohner
Über
28 % der Bevölkerung Rajasthan leben in der Wüste Thar und
betreiben Landwirtschaft und Viehwirtschaft mit Auszucht von Vieh, Schafen,
Ziegen und Kamelen. Die Wüstenbewohner dort stehen in einem
harmonischen Verhältnis zueinander. Das Land ist nicht sehr fruchtbar,
aber die Leute sind daran nicht zugrunde gegangen. Sie leben in perfekter Übereinstimmung
mit ihrer Umgebung. Die Viehzüchter-Farmen liegen weit zerstreut. Die
Tierfarmen sind von einer Dornenhecke umgeben, an der der Wind eine
Sandmauer aufgeschichtet hat. Unter schattenspendenden Bäumen liegen
die Hütten (Jhumpa), wiederum von einer Dornenhecke eingeschlossen mit
einem Balkontor, das den Weg freigibt.
Links befinden sich zwei Ställe für Schafe und Ziegen, sowie für
das Großvieh und rechts einen Freiplatz für die Kamele. Der
Wohnbereich besteht zumeist aus drei kleinen Rundhütten, die mit einem
Lehmmantel unten und darüber mit einem Dach aus Holz und Stroh, durch
einen
Mittelpfosten festgehalten werden. Das Granze ist noch durch Stricke
abgesichert. Ein Jhumpa dient sowohl als Küche als auch als Lager für
das Viehfutter und als Vorratsraum für Getreide und Sonstiges. Im
Winter schläft die Familie in der Küche um das Holzfeuer herum, im
Sommer im Freien innerhalb des umzäunten Bereiches. Dieser Bereich ist
das Zentrum für die ganze Familie. Hier spielen sich auch wichtige
Riten bei Geburt, Heirat und Tod ab. Die Geburt eines Kindes ist ein großes
Ereignis im Leben der Familie, ganz besonders dann, wenn ein Sohn zur Welt
kommt. Die Frau wird bei ihrer Niederkunft von der Familie getrennt, weil
sie gemäß alter hunduistischer Vorstellung unrein geworden ist .
Nach ein paar Tagen wird das Haus in einer kleinen Zeremonie symbolisch
gereinigt, und die Frau kehrt mit ihren Kind in den Schoß der Familie
zurück. Nach dieser Reinigungszeremonie flößt man dem Knaben
ein Kügelchen aus Honig und zerlassener Butter ein und flüstert
ihm dabei den Namen Gottes in Ohr. Der zwölfte Tag nach der Geburt ist
der Namengebung vorbehalten. Die kinderlosen Frauen werden meist ziemlich
bald durch anderen Frauen abgelöst. Eine Stufe niedriger als
diejenigen, die einen Sohn geboren haben, stehen jene, die eine Tochter zur
Welt gebracht haben. Der Sohn ist nicht nur als Erbe des väterlichen
Betriebs und als Existenzsicherung im Alter wichtig, sondern er hat auch
rituelle Aufgabe. Wenn ein Dorfbewohner stirbt, muß er für die
Seele des verstorbenen Angehörigen eine zeremonielle Wasseropferung
vornehmen.
Die Ehe wird in den meisten Fällen
vom Vater arrangiert. Unterstützt von Verwandten und Bekannten sucht er
den zukünftigen Ehepartner sienen Sohnes oder seiner Tochter in einem
anderen Dorf. Die jungen Leute sehen sich am Tage der Hochzeit das erstemal.
Die Ehe gilt als ein religiöser Akt, dessen Aufhebung für beide
Seiten im gleichen Maße höchst unerwünscht ist. Zum anderen
ist die Frau die Mutter seiner Kinder und verdient darum Danbarkeit und größtmögliche
Unterstützung. Die Nachkommenschaft gilt als Unterpfand der Ewigkeit,
sie ist die Garantie dafür, daß die Bestattungsfeierlichkeiten
durchgeführt werden, und ohne diese Feierlichkeiten gibt es keine
Rettung der Seele.
Kinderhochzeiten sind trotz des gesetzlichen Verbotes noch immer häufig
anzutreffen. Sie entsprechen der hunduistischen Tradition, nach der jeder
Vater die religiöse Verpflichtung hat, seine Töchter so früh
wie möglich bzw. spätestens vor der Pubertät zu verheiraten
oder einen mündlichen Heiratsvertrag zu schließen. Nur so ist das
Rituele reinen Jungfernschaft gesichert. Allgemein kehren die Vermählten
wieder in ihre Familien zurück und die Ehe wird erst nach Eintritt der
Geschlechtsreife vollzogen. Ein junger Hindu gründet bei seiner
Hochzeit keinen eigenen Haushalt, sondern führt seine Frau in seines
Vaters Haushalt, wo seine älteren Brüder, Onkel und der Vater mit
ihren Frauen und Kindern leben. Die Frau richtet sich im Haus mit den Schwägerinnen
und der Schwigermutter ein. Die Männer tragen den weißen Dhoti
(Lendentuch) und farbige Turbane, in den Ohren stecken Goldringe. Der Turban
und Schnurrbart sind der Schmuck der Männer.
Die Frauen fallen durch schweren Silber-oder auch Goldschmuck auf, den sie über
die Haare, an den Ohren und um den Hals tragen. Häufig ziert noch ein
großer Nasenringe einen der Nasenflügel. Um die zarten Arme und
Beine tragen sie breite Arm-und Fußreifen. Einen Tresor brauchen sie
hier für nicht, da sie ihre gesammte Schmuckhabe immer bei sich tragen.
Sie verhüllen auch ihr Antlitz vor Besuchern und ihren Schwiegereltern.
Die Wüste ist nicht immer trocken und unfruchtbar. Gelegentliche
Regenfälle bringen sie zum Grünen und Blühen. Mit Bewässerungsystemen
kann man das Wasser auf größere Flächen verteilen und dort
Ackerbau betreiben. Heute werden durch künstliche Bewässerung
landwirtschaftlich genutzt. Die Frauen graben Wasserreservate, die sich in
der Regenzeit füllen. Dort waschen sie sich und schöpfen Wasser,
das sie dann ins Dorf tragen. Das Wasser reicht - wenn es viel geregnet hat
- für ein paar Monate. Wenn die Reservate leer sind, wird Wasser aus
den Ziehbrunnen geholt. Manche Brunnenschächte sind bis zu 135 Meter
tief. Das Wasser muß oft genug von weit her auf Kamelrücken
herangebracht werden. Frauen, deren Wirbelsäulen nach Jahren des
Balancierens von Wasserkrügen auf dem Kopf geschmeidig geworden sind
und ihren Bewegungen eine graziöse Anmut verleihen. Tagüber sind Männer
und Frauen fast immer getrennt und sprechen kaum miteinander; die Frauen
sind verschleiert, wenn andere Männer dabei sind. Doch sobald sie mit
ihren Ehemännern allein snd, legen sie ihre Schleier ab, und das Paar
lacht und unterhält sich. Die Eheleute gehen liebevoll miteinander um,
die meisten Ehen sind sehr glücklich.Die Alten wohnen mit ihren Kindern
und Enkeln unter einem Dach, in jedem Haus gibt es mindestens eine alte
Person. Die Paare haben meist fünf oder mehr Kinder. Die Wüstenbewohner
haben ihre eigene Sprache, die Kinder sprechen kein Hindi. So lernen die
Kinder oft hauptsächlich von ihren Eltern - die Mädchen von den Müttern,
die Jungen von den Vätern. Sie haben ein sehr freies Leben und dürfen
sich im Dorf ganz ungezwungen bewegen und jedes Haus betreten. Sie spielen,
helfen den Eltern bei der Arbeit oder sind einfach mit den Erwachsenen
zusammen. Die Mädchen bekommen schon mit fünf Jahren einen kleinen
Krug zum Wassertragen. Die Erfahrung alter Menschen, vor allem alter Männer,
wird hoch geachtet. Entscheidungen, die die Gemeinschaft betreffen, werden
vom Ältestenrat getroffen, der zu allen wichtigen Festen, auch zu
Familienfesten, eingeladen wird. Die Frauen arbeiten auf dem Feld, sie
suchen und transportieren das Material für die Häuser und
Tiergehege, sie bauen die Häuser, sie spinnen Wolle, sie schöpfen
und tragen das Wasser, sie machen Butter, sie stoßen Paprika zu
Pulver, sie holen Brennholz, sie reinigen das Haus, sie backen Fladenbrot,
sie kochen, und sie kümmern sich um die Kinder. Seit 1999 arbeiten auch
einige Frauen im Rahmen eines Regierungsprogramms im Staßenbau. Die Männer
sind für die Tiere zuständig. Sie treiben sie zu Wasser- und
Futterstellen . Bei großen Festen kocht eine Gruppe von Männern
das Festmahl für alle. Im täglichen Menu gibt es kaum Abwechslung:
zum Frühstück grobkörnige Hirse (bajara), in Wasser oder
Buttermilch gekocht. Das Mittagsmahl setzt sich zusammen aus einem dicken
ungesäuerten Brei aus fein gemahlener Hirse und Buttermilch. Zum
Abendessen das gleiche und dazu indische Bohnen: Außer gelegentlich
etwas Gemüse gibt es tagaus, tagein Hirsemehl und Bohnen, die einzigen
Bodenerzeugnisse im Wüstenklima. Die Haupteinnahmequelle ist der Erlös
aus der Tierzucht, aus Butterfett (Ghee), Wolle und Ziegenhaar (zweimal in
Jahre werden Schafe und Ziegen geschoren). Zumeist werden nur die männlichen
Tiere an die herumziehenden Viehhändler verkauft, die weiblichen werden
für Milch und Aufzucht benötigt. Die Frauen verwenden den Kuhmist
zum Kochen,
zum
Heizen und zum Verputzten von Hauswänden und Böden. Daß bei
solch mühseliger Lebensweise die Hausfrau von morgens bis abends mit
dem Vieh, dem täglichen Mahlen des Getreides, der Essenszubreitung, der
Instandhaltung von Kleidung, Haus und Hof sich besonders abrackern muß,
liegt auf der Hand, daß sie zu den Göttern um eine gute
Schwiegertochter zu ihrer Entlastung fleht.
Das Schminken spielt eine große Rolle. Säuglinge - Mädchen
wie Jungen - werden gleich nach ihrer Geburt geschminkt, und auch ganz
kleine Mädchen tragen dicke Kajalränder. Das Leben in der Wüste
ist hart. Doch die Bewohner der Wüstendörfer finden trotz allem
Zeit, kunstvolle Dinge zur Verschönerung ihres Lebens herzustellen.
Manches hat praktischen Nutzen, anderes ist Festlichkeiten vorbehalten,
wieder anderes dient dem reinen Vergnügen. Die kunstgewerblichen
Gegenstände finden auach Käufer außerhalb des Kulturkreises.
Die Materialien, z.B. Holz und Ton, findet man in der Wüste oder man
erhält sie, z.B. Leder, als Nebenproduckt aus der Viehzucht. Heute
werden auch moderne Materialien verwandt und z.T.mit traditionellen
kombiniert.
Jedes
Haus hat einen Innenhof. Es gibt ein Haupthaus und einen Gästeraum. Das
Haupthaus ist in zwei Räume unterteilt, in dem einen halten sich tagsüber
die Männer auf, in dem anderen die Frauen. Nachts dient einer der Räume
als Schlafzimmer für alle. Die Häuser werden aus einer Mischung
aus Erde, Kuhdung und Wasser gebaut. Die Erde muß eine bestimmte
Konsistenz haben, damit die Mauern haltbar sind. Oft sind die Stellen, an
denen geeignete Erde zu finden ist, weit vom Dorf entfernt. Die Erde wird
ausgegraben und zu Fuß oder mit Eseln zum Dorf transportiert. Auch der
Kuhdung wird oft von weit her geholt.Die Mauern müssen jedes Jahr nach
der Regenzeit erneuert oder ausgebessert werden. Die Dächer sind aus
Reisig, sie sind weniger ein Regen- als ein Sonnenschutz. Die Frauen bauen
die Mauern der Häuser, die Männer die Dächer. Jede Familie
hat ein eignes Haus. Junge Paare bauen sich ihr Haus mit Hilfe der Familie
und der Nachbarn selbst. Das erste Haus ist oft klein und wird mit dem
Wachsen der Familie vergrößert. Die Häuser sind immer offen:
Jeder Dorfbewohner kann jederzeit in jedes Haus gehen. Die Häuser
werden außen und im Innenhof bemalt, meist mit Kalk und Ocker, oder es
werden Muster in die Mauern geritzt oder mit den Fingern hineingedrückt.
Die Frauen der Familie sind dafür zuständig, oft helfen auch