Der erste und bekannteste Förderer der Puppenspielkunst war der legendäre
Herrscher von Nagaur, Amar Singh Rathore. Er war eine führende Persönlichkeit
am Hofe Shah Jahans (1628-1658) in Delhi. Amar Singh hatte schon lange vor
seinem Tod das Puppenspiel als ein geeignetes Medium zur Verbreitung seines
Ruhms und seiner Heldentaten erkannt und zu seinem Vorteil eingesetzt. So
wurde Nagaur die Heimat der Puppenspieler, die sich auch bereitwillig dazu
verpflichteten, dem Brauch am Mogul zu folgen, der die Lobpreisung des
Herrschers vom Künstler verlangte. Sorgfältig ausgearbeitete
Vorstellungen mit Musikbegleitung wurden aufgeführt, in denen die
Geschichte von Amar Singh Rathore, der einzig und wichtigste Bestandteil
war. Diese Tradition wurde bis heute durch Generationen vor Puppenspiele
fast ungebrochen überliefert, die, obwohl sie zum Teil sehr weit von
ihrer Heimat weg verschlagen wurden, niemals die Dankesschuld ihrem Helden
und Gönner gegenüber vergessen haben. Der Amar Singh Rathore-
Zyklus ist unabdingbarer Teil jeder Präsentation, egal in welchem Teil
Rajasthan sie stattfindet.
Die Puppenspieler, auch Bhats genannt, stammen ursprünglich von einem
Nomadenstamm und haben ihre Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben in
den Städten verlassen. Heute noch lassen sie sich am Straßenrand
nieder. Haben sie ihre provisorischen Behausungen aufgeschlagen, wenden sie
sich ihrem Broterwerb zu. Da es nicht immer möglich ist, Vorstellungen
auf die Beine zu bringen, haben sie sich auf die Herstellung von Marionetten
für Touristen und andere interessierte Käufer verlegt. Ihre
eigenen Puppen sind ihnen heilig, sie würden sich nicht von ihnen
trennen. Die Besetzung besteht meistens aus Maharajas und Maharanis,
Soldaten, Tanzmädchen, Narren sowie Nebencharaktern wie Schlangenbeschwöreren,
Pferde- und Dromedarreitern.
Heutzutage sind die Puppen sehr leicht, ihr Kopf ist aus Holz gefertigt,
und die Gesichter sind mit leuchtenden Farben bemalt. Der Rest des Körpers,
auch Hände und Füße ist aus Stoffen genäht. Die Kostüme
sind prächtig schillernd und erwecken so Erinnerungen an die glanzvolle
Zeit am Hofe der Maharajas, die den Hintergrund der Geschichten darstellt.
Ein Puppenspiel zu arrangieren, ist das einfachste von der Welt. Man benötigt
dazu zwei der leichten indischen Betten mit Flechtwerk, Leintücher und
eine Laterne. Der Puppenspieler wird von seiner Frau unterstützt, die
ihn auf der Trommel (Dholak) begleitet, und einem Gehilfen, der die Puppen
reicht, und schon kann es losgehen. Der Puppenspieler erzählt die
Handlung der Geschichte, und seine Frau oder ein anderer Dholak-Spieler
singt dazu. Der Puppenspieler stößt einem lauten Pfeifton aus,
der charkteristisch ist für das Puppenspiel Rajasthans. Die Geschichte
geht weiter, lustige Begegnungen und häufiger Szenenwechsell halten die
Zuschauer in Atem. Ein geschickter Puppenspieler kann durch die bloße
Bewegung seiner Hände die Marionette meisterhaft zum Leben erwecken und
eine Vielzahl von Gefühlen vermitteln. Für heitere Einlagen ist
der Hofnarr zuständig, ein besonderer Freund der Kinder. Nicht fehlen dürfen
auch Volkslieder und Tanznummern, in denen die Puppen schwindelerrengende
Drehungen vorführen. Eine Show dauert gewöhnlich eine Stunde, kann
aber je nach Ausdauer der Zuschauer variieren. Aber jene Tage sind wohl vorüber,
da der Puppenspieler ein wichtiger und geachteter Unterhaltungskünstler
war, der seinen eigene Troß mit sich führte, bestehend aus
mehreren Ochsenkarren, vollgepackt mit seiner Spezialausrüstung, Puppen
und allem Zubehör. Damals erwartete das ganze Dorf ungeduldig die
Ankunft der Truppe und traf entsprechende Vorbereietung.