Keoladev ist der Name eines alten, dem Gott Shiva geweihten Hindu-Tempels,
der im Zentrum des Parks steht. Ghana bedeutet soviel wie dicht".
Dieses Reservat liegt 370 Meter über dem Meeresspiegel. Etwas ein
Drittel der 29 sqkm Gesamtfläche besteht aus einem flachen Sumpfgebiet,
in dem das Regenwasser nach den Monsunzeiten zurückgehalten wird. In
der Trockenzone prägen vor allem Büsche, Dornengewächse und
Laubmischwald das Bild.
Die Flora ist für diesen relativ kleinen Park ungewöhnlich
artenreich. Dutzende verschiedene Grassorten sorgen für Material zum
Nestbau und dienen den verschiedenen Vögeln und Säugetieren als
Nahrungsmittel. Die Baumarten reichen von der dornigen Akazie und dem
Babulbaum, der überwiegt, bis hin zu den Bäumen Ber, Khajur und
Khejri. Der Babulbaum und der Kadam eigenen sich für viele Vögel
als Nistplätze. Der See, mit seinem reichhaltigen Angebot an
Wasserpflanzen, Algen, Schiff und Sumpfgräsern versorgt unzählige
Schalentiere, Amphibien, Insekten und Fische mit Nahrung und bietet ihnen
Unterschlupf. Die unglaubliche Vielzahl dieser Lebewesen hilft Tausenden von
Vögeln, ihre Jungen aufzuziehen und im Winter einen sicheren
Zufluchtsort zu finden.
Das Buschland und die Graslandschaft des Parks sind auch ideal für
verschiedene andere Tierarten wie Nilgau-Antilope, der Aristotelehirsch,
Wildschwein, Tibetkatze und Rhesusaffe. Zu den kleineren Säugetieren
gehören verschiedene Wildkatzen wie Otter und Mungo.
Im Sommer liegt dieser Park danieder und ringt nach Atem. Wildschweine,
Hirschziegenantilopen, Axishirsche und gefleckte Rehe und selbst Felspython,
ziehen sich alle in den dunkelsten Schatten, den sie finden können, zurück.
Fische und Schildkröten verenden teilweise in den ausgetrockneten
Teichen.
Mit den ersten einsetzenden Regenfällen Ende Juni werden Frösche,
Fische und Schildkröten lebendig und der Pfau richtet seine
schillernden Schwanzfedern zum Tanz auf. Reiher tauchen auf und stehen
bewegungslos in den neuentstandenen Teichen mit ihren dolchartigen Schnäbeln
bereit zum blitzartigen Zustoßen. Silberreiher kommen hinzu,
wetteifern mit ihnen und zanken sich lautstark um die erbeuteten Fische. Das
Werben und Balzen nimmt mit verstärkter Geschäftigkeit, mit
endlosem Flattern, Klappern und Piepsen seinen Lauf und endet mit dem erst
Brütens.
Mit dem Beginn der Brutzeit treffen auch die ersten Touristen und
Vogelliebhaber ein. Im Resevat wird auch eine Reihe wichtiger ökologischer
Arbeiten vorgenommen, wie z.B. das Beringen von Vögeln. Dies ist die
Zeit, in der das Leben und Treiben im Park in vollem Gange ist. Verschiedene
Arten von Störchen, Löffelreiher. Kormorane, Silberreiher, Reiher
und Ibise sitzen auf den Bäumen und Nestern und streiten sich um
Lebensraum und Futter.
In der Zeit zwischen Juli und Oktober werden nach reichlichen Monsunregen
jedes Jahr über 20,000 Junge aufgezogen. Die Nahrungsmenge, die
Vogelkolonien dieser Größenordnung benötigen, ist
unvorstellbar. Nach Schätzungen brauchen 2000 Buntstörche, die über
eine Fläche von 2,5 qkm verteilt brüten, vier bis sechs Tonnen
Futter täglich, um sich und ihre Nachkommenschaft zu ernähren. In
den 30 bis 40 Tagen ihrer Brutzeit verbrauchen sie mindestens 1200 Tonnen
Futter .
Der Oktober bringt eine subtile Veränderung mit sich. Die Regenfälle
lassen nach, die Nachtfeuchtigkeit wird geringer und die Nachttemperaturen
fallen. Brütende Päarchen und Junge ziehen ihres Weges und die
ersten Winterzugvögel halten ihren Einzug. Unter ihnen sind Enten und
Bachstelzen. Eisige Winde wehen über ihre Brutstellen in Sibirien und
Tibet und sie müssen mehrere tausend Kilometer zurücklegen, um
Nahrung und Wärme zu finden. Zu den bereits zahlreichen seßhaften
Entenarten kommen noch weitere Entenarten wie z.B. die Löffelenten,
Kriekenten und mitunter auch Stockenten hinzu. Es finden sich auch Bleßhühner
ein sowie Schwäne, Tukane und gelegentlich sogar Pelikane, Flamingos
und Raubvögel wie Fischadler und Falken. Tauben und Papageien mit ihren
fast unablässigen Rufen überziehen den Himmel. Schlangenhalsvögel
starren gebannt auf das Wasser und Kilometerweit sind die durchdringenden
Schreie der aristokratischen Sarus- Kraniche zu vernehmen. Und schließlich
nach Schwärmen von Wildgänsen hält der sibirische Kranich das
Symbol von Keoladev Ghana National Park, dem überall in der Welt
Ornithologen besonderes Intresse entgegenbringen, seinen Einzug.
Die meisten Zugvögel brüten
in Zentralasien, Osteuropa und Sibirien während des Sommer. Aber diese
Gebiete werden während des Winters eiskalt und unwirtlich, während
auf dem indischen Boden die Sonne angenehm warm scheint und es überall
genügend zu fressen gibt. Deshalb ziehen die Vögel zu Millionen
hinunter durch die Flusstäler des Indus und des Brahmaputra zu beiden
Seiten des Himalays.
Die sibirischen Kraniche treffen hier normalerweise im November ein. Die
Anreise von Sibirien nach Bharatpur ist exterm lang und sehr gefährlich.
Auf ihrem Flug durch Afghanisthan und Pakistan werden viele von ihnen
abgeschosen. Ein weiterer Faktor, der zum Rückgang ihrer Zahl geführt
hat, ist die Zerstörung ihres natürlichen Wohnraum. Kraniche brüten
nur einmal im Jahr, sodaß die Polpulation sehr niedrig ist.
Mit internationaler Kopperation wurde daher ein Projekt gestartet, um Eier
des sibirischen Kranichs zu bebrüten und die Küken dann
auszusetzen. Dies geschieht in Bharatpur. Weltweit gibt es insgesamt nicht
viel mehr als 2000 von ihnen und die meisten überwintern in China. Sie
sind denen der Sarus-Kraniche ähnlich, doch rufen sie weniger schrill,
mehr melodisch.
Um wirklich richtig einschätzen zu können, was Vogelwanderung
bedeutet, muß man sich mit einigen Fakten befassen, die diese
bemerkenswerten Reisen betreffen.
Abhängig von der Gattung kann die Länge einer Reisen zwischen
einigen hundert Kilometern und einem Marathon von 8000 km variieren (ungefähr
die Entfernung zwischen Indien und Sibirien, von wo mehrere Zugvögelartren
herkommen). Während die kleineren Vögel ungefähr 50 Kilometer
pro Stunde erreichen, fliegen die großen Vögel wie z.B. Enten und
Gänse stundenlang mit der doppelten Reisegeschwindigkeit. Die
durchschnittliche Entfernung, die geflogen wird, reicht von 224 km bis 970
km und die Flugzeit liegt zwischen 6 und 11 Stunden. Die kleineren Gattungen
fliegen vorzugsweise bei Nacht, die Größeren reisen bei Tage.
Die Genauigkeit, die es den Vögeln ermöglicht, den Weg zufinden,
wird dadurch erzielt, daß sie navigatorische Hilfen wie Sonne, Sterne
und Geländeorientierunspunkte wie z.B. Bergrücken und Flußtäler
und die magnetischen Felder der Erde benutzen.
Warum fliegen die Zugvögel manchmal just über die höchsten
Gipfel und nicht über die relativ niedrigen Pässe des Himalayas ?
Aus Gründen der Orientierung, denn im indischen Tiefland beschränkt
Staubentwicklung in den unteren Luftschichten die Sicht auf wenige
Kilometer. Nur die Gipfel des Gebirges ragen wie Landmarken aus dem Dunst.
Da die Gänse keine Segelflieger sind und deschalb von Aufwinden an den
Hängen nicht getragen werden, fliegen sie hoch über den Himalaya
hinweg, wobei sie wahrscheinlich die gleichmäßigen und starken
Luftströme im Grenzbereich der Stratosphäre ausnützen.
Den ganzen Winter hindurch bis weit in den Frühling hinein genießen
die Zugvögel ihren wohlverdienten Urlaub. Dann, wenn die Tage anfangen
länger zu werden und die Sonne stechender wird, beginnen sie unruhig zu
werden. Sie fressen gierig, um genügend Energie (in Form von Fett) für
den langen Flug nach Hause aufzutanken. Die Enten fliegen in großen
ausgedehnten Kreisen, um sicher zu sein, daß sie sich in guter Form
befinden. Plötzlich werden die See und Gewässer von Bharatpur
still, da die zeitweiligen Bewohner auf und davon sind. Und vom Himmel ertönt
der einsame, quälende Ruf der Kraniche. Leb wohl bis zum nächsten
Jahr ``.
Ein bunter Tag im Park
Dieser Park mit seiner friedvollen Atmosphäre bietet eine
ausgezeichnete Gelegenheit für eine Ruhepause vom Streß und
spannungsgeladenen Treiben der Städte. Es gibt eine asphaltierte
Hauptstraße, die mitten durch das Parkgelände führt und es
werden Touren empfohlen, die immer von der Hauptstraße ausgehen und
wieder bei ihr enden. Man kann lange Spaziergänge an den umsäumten
Dämmen machen. Bänke aus Stein bietet sich an zum Sitzen, zum
Tagträumen, zum Zeichnen oder zum Beobachten von Vögeln.
Sonnenauf- oder untergang eignen sich am besten, um die Vögel zu
beobachten. Bei Sonnenaufgang beginnen sie alle gleichzeitig zu klappern, zu
piepsen, zu flöten, zu lärmen, zu quicken, zu pfeifen und heisere,
durchdringende oder klagende Schreie auszustoßen und fliegen ihren täglichen
Abenteuern entgegen- ein phantastisches Naturballet.
Die Arten der Vögel, die Sie sehen werden, sind vielfältig. Hier
sind die Gewässer mit vielen Entenarten bevölkert; hellhäugige
Spießenten in Schokolade und Silber, langsam umhertreibende Löffelenten
mit strahlend weißen Brüsten und flachen Lacklederschnäbeln,
kleine Krickenten in ihren mysteriösen Kösttumpatymasken,
Tafelenten in Rotguß und Ingwer und Stockenten mit Köpfen wie
Tausendkarätige Smaragde. Die große kupferfarbene Brahmin Ente
bleibt unter sich, sie meidet die Masse. Unter die Enten mischen sich die
Wasserhühner. Sie sind aus dem Ausland zurückgekehrt, manche
bleiben aber auch zurück und brüten im Lande.
Die Graugans und Streifengans sind hier zu finden, oft sogar zusammen. Die
Graugans wirkt mit ihrer pfefferbraunen Farbe, rosafarbigem Schnabel und
eben solchen Beinen etwas bäuerlich. Die Streifengans sieht elegant aus
: silber-grau, schwarz und weiß und mit drei schwarzen Zeichen auf dem
Kopf.
Hier stolzieren auch die Watvögel. Manche sind groß genug, um
recht schnell durch die Sümpfe laufen, andere leicht genug, um über
die auf der Oberfläche des Wassers schwimmende Vegetation auf
Zehenspitzen zu laufen.
Neben dem Wassergeflügel gibt es eine ganze Reihe von landbewohnenden
Zugvögeln wie Grasmücken, Pieper, Bachstelzen und Ammern.
Einheimischer Kranich ist der prächtige graue Sarus, verehrt für
seine lebenslängliche Treue. Während des Winters wird ihm jedoch
vom zierlichen Demoiselle Kranich und dem gewöhnlich aussehenden
Gemeinen Kranich Gesellschaft geleistet, die beide in großer Anzahl
hierherkommen.
Die berühmtesten unter den Kranichen sind jedoch die seltenen,
exquisiten sibirischen Kraniche, deren jährlicher Besuch im
Nationalpark den Höhepunkt der Saison bildet. Bei ihrer Ankunft haben
die Pärchen oft ein Junges bei sich, dessen braunweißes Gefieder
im Laufe des Winters die Schwarzweißfärbung der ausgewachsenen
Tiere annimmt. Diese Zugvögel kommen im Dezember und bleiben bis Anfang
März. Diese schneeweißen Vögel mit der schwarzen Zeichnung
und den purpurnen Flecken und Schnäbeln im Gesicht sind eine von vier
Kranicharten im Schutzgebiet. Die sibirischen Schneekraniche sind
vegetarisch und leben in lockerer Gemeinschaft mit vier oder fünf
Artgenossen. Sie fressen die Wurzeln und Knollen der Wasserpflanzen. Diese Vögel
können immer nur ein Junges aufziehen.
Unter den Raubvögeln sind die Sumpfweihen die häufigsten
Gesehenen. Das Weibchen sieht aus wie ein Gangster. In Schokoladenbraun
gekleidet, trägt sie eine karamelfarbene kapuze auf ihrem Kopf und
karamelfarbene Epauletten. Das Männchen ist kleiner und schlanker und
erscheint schicker in silbergrau und rostbraun. Die Vögel stürzen
sich herunter und gleiten dann langsam über das Wasser. Sie lassen die
Enten in panischer Angst überstürzt starten und halten Ausschau
nach einem langsamen oder total verängstigten Schwächling.
Ein anderer Wasserjäger oder besser gesagt Fischer, ist der gewaltige
Fischadler. Auf dem Kopf dunkelbraun, unterhalb weiß, trägt er
eine dunkelbraune Maske über seinen Augen und das Halsband um seine
Kehle ist durchbrochen.
Und wo immer Sie auch sind, lohnt es sich, die zahlreichen toten Bäume,
die überall zu finden sind, genau zu beobachten, da sie Lieblingsorte
vieler Vögel, wie z.B. der majestätischen Schlangenadler sind, die
sie als Aussichtspunkte benutzten. Eulen, die mit ihren riesigen goldenen
Augen aus den Höhlungen gucken, schwarze Kormorane, die ihre Flügel
zum Trocken ausbreiten und Reiher, die im Hintergrund warten und sogar
riesig große Brahminy Mynas.
Abgesehen von den Vögeln gibt es andere Tiere, denen Sie auf Ihrem
Spaziergang begegnen könnten. Die Umgebung am Park ist der Lieblingsort
von Schakalen und grunzenden Wildschweinen, gefleckten Rehen, Sambars
(Asiatische Elche) und Nilgai ( indische Antilopen). Wenn Sie Glück
haben, können Sie auch einen Schwarzbock sehen. Selten zu sehen sind
Raubkatzen und tropische Echsen.
Schließlich gibt es Sonnenuntergänge und die Dämmerung ist
ein Erlebnis. Über den orange aufflammenden Himmel eilen grauköpfige
Enten zurück zu den Sümpfen. Ibisse und Reiher schaukeln auf den
Spitzen der zarten Akazien, während sie versuchen, ihr Gleichgewicht zu
wahren und für Neukömmlinge Platz zu machen. Ein Steißfuß
verschwindet unter dem Wasser und dreht große goldene Kreise und von
einer der Inseln kommt das heißere Krächzen tausender Mynas. Ein
Trupp Rebhühner marschiert zum Damm hinüber und irgendwo in der
Ferne fängt ein Paar Saruskraniche ein schwermütiges Duett an. Ein
Schakal beginnt zu schreien und sein Heulen wird sofort vom einem ganzen
Rudel aufgegriffen- ein unheimlisches Geräusch, das zum Glück
schnell wieder abklingt. Das Dunkel macht sich breit, zu hören ist
jetzt nur noch das Pfeifen des Windes.
Hinweise für Parkbesucher
Das Reservat ist das ganze Jahr über geöffnet. Viele Besucher
machen lediglich nur einen Abstecher hierher. Es empfiehlt sich eine Nacht
in Bharatpur verbringen. Stehen Sie vor Sonnenaufgang auf und erleben Sie
das Erwachen der Natur ! Wenn man das Reservat in der Zeit zwischen Ende
September und Mitte Februar besuchen, kann man zusehen, wie die jungen Vögel
ihre ersten Flugstunden hinter sich bringen.
Am Haupteingang kann man auch Fahrrad-Rikschas für Fahrten über
festen Grund mieten und sich einen der ausgezeichneten Führer nehmen,
die im allgemeinen gelernte Ornithologen mit echter Begeisterung für
ihr Fach sind. Die Rikscha-Fahrer zeigen auch ein reges Interesse an der
Vogelwelt des Parkes und haben soviel Deutsch gelernt, um die
unterschiedlichen Arten zu bestimmen. Lassen Sie aber Ihren Führer
voranfahren. Wer mehr über das Vogelleben erfahren will, sollte Salim
Alis Book of Indian Birds" dabeihaben.
Wollen
Sie den Zugvögeln hautnah kennenlernen ?