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Architektur |
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Als Babur 1526 nach Indien kam, fand er die vorhandenen Bauwerke höchst
unbeeindruckend. Delhi hatte aufgehört, Residenz zu sein, als durch die
Lodis 1505 Agra zur Hauptstadt gemacht worden war. Man hatte gerade
begonnen, Bauwerke in Agra zu errichten, als ein großes Erdbeben die
Stadt zerstörte. Anderso unterstützte der Mensch die Natur um die
Werke früherer Bauherren zu vernichten. Der Historiker der Lodi-Könige
erzählt, wie der Sultan Sikander das Land südlich von Delhi verwüstete,
wobei er alle Häuser und Gärten der äußersten
Zerstörung preisgab". Man möchte hoffen, daß es sich
hierbei um eine schmeichlerische Übertreibung handelt. Babur war von
der eleganten Schönheit der Paläste, die er in Gwalior bei Agra
sah, beeindruckt, und sie dienten ihm als Vorbild für einige seiner
Bauten in Agra, die freilich nicht erhalten geblieben sind.
Humayun träumte von Bau einer neuen großen Stadt in Delhi, die
eine Zuflucht für die Weisen sein würde und deren Wälle und
Paläste sich mit denen der alten Perserkönige messen könnten.
Die Arbeit an dieser Hauptstadt hatte schon begonnen, aber sie wurde von
Sher Shah unterbunden, als er Humayun aus dem Lande trieb.
Humayuns Pläne wurden von Akbar wieder aufgenommen und in beachtlichem
Umfang ausgeführt. Neue Gebäude wurden in Delhi errichtet, aber in
Agra und Lahore wurde die Bautätigkeit am meisten gefördert. Die
Monumentalität und Größe der Festungen in Agra und Lahore
standen im Einklang mit den erhabenen Vorstellungen von königlicher Würde,
die Akbars imperiale Pläne beseelten.
Unter Jahangir verschob sich das Interesse von der Architektur zu den rein
dekorativen Künsten. Die Anlage von Gärten zeigte erlesenen
Geschmack. Hier verriet sich das Naturgefühl des Kaisers und zugleich
die Leidenschaft der Moghule für ausgewogenheit und Symmetrie. Gefördert
wurde auch die Kunst der Miniaturmalerei, für die der Moghul Hof so berühmt
war. Zu dieser Zeit wurde in der Entwicklung der indo-islamischen Kunst eine
tiefgreifende Veränderung sichtbar, die geradezu etwas Paradoxes hat.
Unter dem Sultanat hatten sich, besonders in der frühen Periode, wo der
Gegensatz zur hinduistischen Kultur offen ausgesprochen wurde, die
mohammedanischen Herrscher fast gänzlich auf hinduistische Architekten
und Handwerker gestützt.
Der Grundriß der frühen Moscheen ähnelt oft denen der
Tempel, oft waren jene auch einfach umgebaute Tempel. Die Architektur von
Gujrat ist das ästhetisch am meisten zufriedenstellende Beispiel der
Vermischung hinduistischen und islamischen Stils. Die Mogulen hingegen
standen zwar der Hindu Kultur viel toleranter und aufgeschlossener gegenüber,
sind aber viel weniger abhängig von hinduistischen Stil und von
hinduistischen Arbeitskräften. Babur drückte das sehr deutlich
aus, indem er die hinduistischen Baumeister wegen ihrer mangelnden Fähigkeit,
ausgewogene und symmetrische Bauten zu schaffen, kritisierte. Deshalb wandte
man sich von indischen zu perischen Vorbildern, und die Mogul Architektur
ist, wie die Moghul-Kultur überhaupt, stark vom Persischen geprägt.
Und doch scheint auf eine seltsame Weise die Moghul-Kunst der indischen
Umwelt gemäßiger gewesen zu sein als die frühere, die mehr
Indisches übernommen hatte. Das mag daran liegen, daß die
persische Kunst und Architektur in der Vergangenheit selbst von indischer
Kunst beeinflußt worder war. Diese Einflüsse waren völlig
absorbiert worden, aber sie erleichterten die Einführung der persischen
Kunst auf indischem Boden.
Der Mogulstil, in dem sich drei Einflüsse- der des Sultanats, der des
hinduistischen Indien und der Persiens- geltend machten, erreichte unter
Shah Jahan den Höhepunkt seiner Entwicklung. Der Machtschwund der
persischen Gruppe bei Hofe, der den Übergang von Jahangir zu Shah Jahan
politisch kennzeichnet, kann als Symbol für die Reife und Eigenständigkeit
der Mogul Kultur gewertet werden. Sie löst sich jetzt von der direkten
Abhängigkeit von der persischen Kultur, die so lange die türkischen
Dynastien vor und nach ihrer Einwanderung in Indien beeinflußt hatte.
Der sichtbarste Unterschied zwischen den Bauten Shah Jahans und denen seiner
Vorgänger liegt in dem verschwenderischen Gebrauch von weißem
Marmor anstelle des roten Sandsteins. Zur weißen Farbe paßte
eine neue Verwendung des Stucks, die die Einführung geschwungener
Linien zuließ, welche in deutlichem Gegensatz zur Eckigkeit der früheren
Stile standen. Der Marmor wurde oft durch eingelegte Halbedelsteine verziert
(pietra dura). Der Gebrauch des gezackten Bogens gab den Gebäuden eine
Anmut und Feinheit, die in Indien nicht ihresgleichen hatte.
Die Bögen an Shah Jahans Gebäuden bewahren selbst in ihrer
dekorativsten Form eine Zurückhaltung, die der verschwenderischen Fülle
der späten Jaina Architektur abgeht.
Die drei großen Mogul-Städte Agra, Lahore und Delhi wurden alle
durch Shah Jahanas Bautätigkeit bereichert. In Agra wurden viele der
Gebäude, die Akbar im großen Fort hatte erbauen lassen,
niedergerissen und dafür die gleißenden, anmutigen Marmorbauten
errichtet. Eindrucksvoll hebt sich die Marmorfassade des Grabmals Taj Mahal
von dem Baukern aus rotem Sandstein ab, deren romantischer Glanz vielen als
Krönung der Mogul Architektur Indiens erscheint. Doch dann Entwickelte
sich ein von Agra verschiedener Stil. Ziegel wurden statt Marmor verwendet
und mit farbigen Kacheln verkleidet.
Aber es war Delhi, das sein Gesicht am meisten veränderte. Unter Shah
Jahan löste es Agra als Hauptstadt des Reiches ab. Das große Rote
Fort", das er baute, war keine Festung zur Verteidigung, sondern der
Rahmen für einen Komplex königlicher Paläste. Selbst im
Niedergang verherrlicht die Eleganz der Architektur den Mogultraum von Palästen
und Gärten, die eine abgeschlossene Welt von Anmut und Schönheit
schufen. Die berühmte Inschrift an einem der Paläste : Wenn
es ein Paradies auf Erden gibt, so ist es dies, so ist es dies" kann
als Ausdruck der sehnsuchtsvollen Hoffnung gelesen werden, daß eine
solche Welt erreicht worden war. Der Gegensatz zwischen den Palästen
und Gärten mit ihren anmutig geschwungenen Linien, tiefen Schatten und
fließenden Wassen einerseits und der unwirtlichen Öde der
trockenen Ebene von Delhi andererseits ist vollkommen.
Während in der Mogulenzeit Moscheen, Grabmäler, Paläste und
Festungen von großer Eleganz errichtet wurden, findet man in der
schriftlichen Überlieferung kaum Hinweise auf Arbeiten von öffentlichem
Interesse.
Unter den öffentlichen Arbeiten wären noch Leistungen im Straßenbau
zu erwarten gewesen, aber auch auf diesem Gebiet scheint nicht viel getan
worden zu sein. Rasthäuser (Sarais) für die Reisenden wurden an
den Hauptstraßen erbaut und schattenspendende Bäume wurden
angepflanzt. Das freilich war nur die Fortsetzung einer alten Tradition und
galt als Akt der Nächstenliebe, hatte aber zugleich auch kommerziellen
und militärischen Nutzen. Die örtlichen Behörden waren für
den Brückenbau verantwortlich.