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Jahangir ( 1605- 1627 ) |
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Am 24. Oktober 1605 bestieg Salim den Thron. Er nannte sich als Kaiser
Jahangir (Eroberer der Welt), hatte aber nicht die Größe und die
Härte seines Vaters. Sein Wesen war unausgeglichen, er schwankte
zwischen übertriebener Milde und extremer Grausamkeit.
Seine Trunksucht hinderte ihn, sich energisch um die Angelegenheiten des
Staates zu kümmern. Die Verwaltung, die unter Akbars wachsamen Auge
staff und korrekt gearbeitet hatte, verfiel und gab den hohen Beamten in den
Provinzen erneut Gelegenheit, sich zu bereichern und die eigenen Interessen
zu fördern.
Die Wirtschaft des Landes konzentriete sich auf den Hof, dessen Luxus weit über
den Aufwand hinausging, den Akbar gestattet hatte. Die Gehälter der Höflinge
und Würdenträger wurden immer extravaganter, für das Land
blieb kein Geld übrig. Die großen Aufgaben der Zentralgewalt,
z.B. Bau und Unterhalt von Straßen und Kanälen, wurden vernachläßigt.
Kunst und Wissenschaften hingegeben wurden gefördert.
Die Schwäche Jahangirs erlaubte es seiner Gattin Nurjahan, einer der
großen Frauengestalten Indiens, die wahre Macht auszuüben.
Nurjahan, die Tochter eines persischen Abenteuerers, war zunächst mit
Sher Afghan verheiratet worden, der von Jahangir mit dem Gebiet von Burdwan
in Bengalen belehnt worden war.
Sher Afghan, dem Unterstützung rebellierender Fürsten nachgesagt
wurde, fiel in Ungnade und wurde bei dem Versuch, ihn an den kaiserlichen
Hof zu bringen, getötet. Statt seiner wurde Nur Jahan nach Delhi
gebracht. Sie lebte dort als Hofdame, bis Jahangir sie heiratete. Sie gewann
schnell volle Macht über den Kaiser und nutzte sie, die Interessen
ihrer Sippe zu fördern. Das Ansehen, das sie ihrem Vater verschaffte,
spiegelt sich in dem Mausoleum wider, das ihm am Ufer der Jamuna in Agra
errichtet wurde.Es ist unter seinem Titel Itimad-ud-Daulah bekannt, aus
erlesenem Marmor gebaut und wohl das schönste, wenn auch nicht großartigste
Mausoleum Indiens.
Ihr Bruder Asaf Khan wurde der einflußreichste Mann am Hofe. Durch
die Heirat seiner Tochter mit Jahangirs Sohn Khurram, der später als
Shahjahan den Thron bestieg, wurden die Geschicke der beiden Familien
vollends verwoben. Die Macht Nur Jahans wurde auch nach außenhin
sichtbar, als sie begann, Audienzen abzuhalten und Münzen mit ihrem
Namen zu prägen.
Mit vollendetem Geschmack entwarf Nurjahan auch Gärten, Goldschmuck
und Innendekorationen für die Paläste. Sie arrangierte große
Feste und schrieb Gedichte in persischer Sprache. Doch auch als Jägerin
zeigte sie sich geschickt.
Um Verzögerungen und Ungerechtigkeiten in der Justiz zu verhindern,
ließ Jahangir eine Kette der Gerechtigkeit erfinden. Sie war dreißig
Meter lang, aus purem Gold und mit sechzig Glöckchen versehen. Das
kostbare Stück hing vom Jharokha-Balkon herab, auf dem sich der Großvater
Jahangier (Akbar) jeden Morgen bei Sonnenaufgang zeigte, um sich dann wieder
für zwei Stunden zur Ruhe zu legen. Diese Kette sollte von jedem geläutet
werden, der sich ungerecht behandelt fühlte. Eigentlich sollte auch das
Erscheinen am Morgen jedem Untertan Gelegenheit zur Klage geben, doch in der
Praxis war das nicht so einfach. Schon damals verstanden korrupte Beamte
meisterhaft, Reklamationen zu verhindern, zumal es zu den asiatischen
Traditionen gehört, höheren Stellen nur Angenehmes mitzuteilen.
Theoretisch hatte jeder Untertan zum Durbar (Hofhaltung) Zutritt, der
vormittäglichen öffentlichen Audienz im Diwan -i-Am Doch war es
nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, dabei die Aufmerksamkeit des Kaiser
zu erreichen. Jahangir berichtet von einer Gruppe von Bittstellern, die sich
als Gaukler getarnt hatten, um ihr Anliegen vorzubringen.
Jahangir
konnte nicht die großen militärischen oder organisatorischen
Talente Akbars zeigen. Wegen seiner Launenhaftigkeit und Grausamkeit, seinem
Hang zum Luxus, seiner Sentimentalität und Großzügigkeit
wurde Kritik laut.
Unter Jahangir wurde Agra wieder zur kaiserlichen Hauptstadt. Der Kaiser
begann zwar keine bedeutenden neuen Architekturprojekte, war aber
verantwortlich für die Schaffung einer Reihe neuer Gartenanlagen,
besonders Shalimar Bagh und Nischat Bagh in Kashmir. Es gibt eine Fülle
von Zeugnissen, die Jahangirs botanische Kenntnisse belegen. Geradezu
verschwenderisch förderte er auch die Künste, besonders die
Malerei. Künstler, die für ihn und andere Adlige arbeiten, malten
viele der schönsten Mogul-Miniaturen. Manche von ihnen projektierten
die politische Ideologie der Herrscherdynastie - die Assoziation des Kaisers
mit Licht, die Hofrituale - oder gaben unverhüllt dem imperialen
politischen Standpunkt bildliche Form. Doch auch naturalistische Tendenzen
in der Mogul-Malerei erreichten in diesen Jahren ihren Höhepunkt.
Jahangir war berühmt für seine genaue Naturbeobachtung, und in
seine Regierungszeit fallen viele hervorragende Studien von Tieren und
Pflanzen.
Ein Ereignis, das während der Herrschaft Jahangirs große Not über
Indien berachte, war das erstmalige und unerklärliche Auftreten der
Beulenpest. Diese Seuche wütete Jahre und entvölkerte ganze
Landstriche. Auch von mehreren schweren Hungersnöten wird berichtet .
Hungersnöte, bedingt durch den Ausfall des Monsunregens, hat es in
Indien immer gegeben. Daß nun ganze Distrikte entvölkert
wurden,lag an der Steuerpolitik. Es wurde den Bauern nicht länger
gestattet Reserven anzusammeln, da die Bedürfnisse des Hofes wichtiger
waren. Dem Glanz der Hofhaltung, den herrlichen Palästen, Moscheen und
Mausoleen muß man die oft verzweifelte Not der Untertanen
entgegenhalten, um ein abgerundetes Bild vom damaligen Leben zu erhalten.
Jahangir, der sich, um an die Macht zu gelangen, gegen seinen Vater Akbar
erhoben hatte, mußte dulden, daß ihm durch seinen Sohn Khurram,
das gleiche Schicksal widerfuhr. Es gelang unter Aufbietung seiner ganzen
Macht, die Rebellion niederzuwerfen, dafür mußte er darauf
verzichten, die Provinz Kandhar in Südafghanistan, die Shah Abbas, König
von Persien, 1622 erobert hatte, zurückzugewinnen. Das Mausoleum
Jahangirs liegt in Lahore ( Pakistan ).