Die frühen Jahren
Akbar
war der erste Timuride, der auf indischem Boden geboren wurde. Dadurch hatte
er mehr Aussicht, heimich zu werden. Er muß ein sehr schwieriges Kind
gewesen sein, was nicht verwundert, wenn man die Umstände seiner
Kindheit bedenkt. Als Kleinkind erlebte er die Flucht seiner Eltern, dann
wurde er als eine Art Faustfand im Harem seines Onkels gehalten und seine
weitere Jugend war eine einzige Folge von Feldzügen. Da immer ein
Vertreter des Kaiserhauses im Heerlager zu sein hatte und Humayun dies gar
nicht lag, wuchs Akbar unter Soldaten auf. Mit neun Jahren erhielt er das
formelle Oberkommando über die Einheiten seines gefallenen Onkels
Hindal und mit zwölf war er bereits bei Schlachten in der Vorhut
anzutreffen. Natürlich wollte Humayun seinen einzigen Sohn nach allen
Regeln der Kunst erziehen lassen und auch Bhairam Khan bemühte sich in
dieser Hinsicht. Akbar aber weigerte sich standhaft, etwa Nützliches zu
lernen. Ein Lehrer wurde gefeuert, weil er angeblich den Knaben zum Taubenzüchten
verführt hatte. In Wahrheit hatte natürlich Akbar den Lehrer
bestochen; ebenso kapitulierten acht andere Lehrer, da es ihnen nicht einmal
gelang, den Prinzen an ein Lesepult zu locken. Lieber ritt er wilde Kamele
und später beteiligte er sich wiederholt an Elefantenkämpfen, dem
gefährlichsten Spiel, das veranstalten zu lassen nur dem Kaiser
vorbehalten war.
Der junge Akbar und sein Regent Bairam Khan befanden sich gerade im Punjab
auf einem Feldzug gegen Sikander Schah, einen Enkel Schers, als sie die
Nachricht von Humayuns Todessturz erreichte. Nach islamischem Recht hatte
sich damit ihre Lage schlagartig verändert. Bhairam Khan beschloß,
Akbar zum Kaiser ausrufen zu lassen. In aller Eile wurde eine Krönungsplattform
gemeißelt. Auf ihr nahm am 14. Februar 1556 der Dreizehnjährige
Platz, in einen viel zu großen Brokatmantel gewickelt und mit einem
schwarzen Turban, wie er eigentlich nur dem geistlichen Oberhaupt der
Sunniten zustand. Seine Thronrede war ein erhabenes Gicksen.
< Auf dem Vorplatz des Zeltes dröhnt der Schall der kaiserlichen
Naqqara (das ist eine große silberne Kesseltrommel). Dazu ertönt
aus der Menge der von nah und fern herbeigeströmten Bewohner des Punjab
und der Krieger des Heeres der Siegesruf des Islam: Allahu Akbar (Groß
ist Gott ). Akbar war jetzt Herrscher von Hindustan, Afghanistan und der
anderen Erbländer Baburs.
Der Titel hatte wenig Gewicht, da viele der kleinen Herrscher ihn nicht
anerkannten. Daß sein Anspruch durchgesetzt wurde, lag wesentlich an
seinem Regenten Bairam Khan, dessen Tatkraft die Feldzüge gegen die
Regionalreiche ermöglichte. Nachdem Bairam Khans Macht geschwunden war,
machten Akbars mütterliche Verwandte ihren Einfluß geltend, bis
der junge Kaiser als Zwanzigjähriger die Regierung selbst auszuüben
begann. Er sollte der größte Moghul-Kaiser der Legenden und
Geschichte werden. Akbar war für mogulische Verhältnis ein
erwachsener Mann, reif genug, die Regierungsgeschäfte selbst in die
Hand zu nehmen, und damit war der Bruch zwischen ihm und Bairam Khan
unvermeidbar.
Der damalige Regent trug seine Absetzung mit bewundernswerter Loyalität.
Zwar überlegte er lautstark, mit der Armee nach Delhi zu marschieren
und Akbar von seinen neuen Ratgebern zu befreien, doch dann willigte er in
die Pilgerfahrt nach Mekka ein, die Akbar vorgeschlagen hatte. Auf die
Pilgerreise in Gujarat wurde Bairam Khan am 31. Januar 1561 aus Blutrache
von einem Afghanen ermordet, dessen Vater fünf Jahre zuvor in einer
Schlacht gegen die Mogulen gefallen war.
Akbars erste Aufgabe war es, das Reich,daß er geerbt hatte, zu
erobern und alle Konkurrenten auszuschalten. Sein bedeutendster Widersacher
war Hemu, General, Statthalter und Vertrauter der Erben Sher Shah Surs , der
die ihm überantworteten Machtmittel benutzen wollte, sich selbst zum
Herrscher ausrufen zu lassen. Wieder ist es das Feld von Panipat, auf dem
die Heere zusammenstoßen.
Hemu, Akbar an Truppen und Elefanten vielfach überlegen, hatte den Tag
schon gewonnen, als ihn ein Pfeil ins Auge traf. Als der schwerverwunderte
Hemu vor Akbar gebracht wurde, tötete dieser ihn mit einem
Schwertstreich. Der Wert eines Lebens stand nicht hoch im Kurs und Akbar
hatte keine Hemungen, zur Sicherheit seines Reiches einen wehrlosen
Unterlegenen zu töten.
Mit zunehmender Sicherung des Reiches wandte sich Akbar neuen Eroberungen
zu. In seinem Drang, die Welt zu erobern, steht Akbar in einer Reihe mit
allen großen indischen Fürsten, deren Streben danach gerichtet
war, sich Chakrawarti ( Herr des Erdkreises ) nennen zu können. Als
Gegengewicht zu den Zentralasiaten zog Akbar eine Anzahl tüchtiger
Perser in seinen Dienst, so daß etwa 1580 47 Perser und 48 Adlige
zentralasiatischer Herkunft Schlüsselpositionen im Mogul-Reich besetzt
hielten.
Das Bündnis mit den Rajputen
Akbar
fand auch Wege, einzelne hinduistische Kriegergruppen, die unter den Lodis
von der Macht ausgeschlossen waren, in sein Reich zu integrieren. Bei weitem
die wichtigsten waren die Rajputen-Fürsten. In der Tat ist es
zweifelhaft, ob Akbar den Mogul-Staat so erfolgreich hätte
verwirklichen können, wenn es ihm nicht gelungen wäre, ein Bündnis
mit diesen konservativen Hindukriegern an seiner Südwestflanke zu
schließen. Er sicherte sich damit nicht nur die Dienste von einigen
der tüchtigsten Maharajas seiner Zeit, sondern löste auch das
hartnäckige Problem, eine gefährlich unsichere Grenze des Reiches
zu befrieden.
Das aride Gebiet des Aravalligebirges lud im 16. Jahrhundert dazu ein,
Siedlungsenklaven anzulegen, die erbittert ihre Unabhängigkeit
behaupteten. In einer Region mit geringer Kommunikation überschauten
praktisch uneinnehmbare Festungen und Orte, an denen Wasser vorhanden war,
die wichtigen Heers- und Handelsstraßen, die Nordindien mit Gujarat
und der Westküste verbanden. Mächtige Familien kontrollierten den
Krieg. Fürsten mit größerem Ehrgeiz strebten indes
umfassendere politische Organisationen an und unternahmen zuweilen Beutezüge
in die reicheren Ebenen im Norden. Wer Waren oder Personen durch ihr Land
befördern wollte, mußte sich oft ihrem Druck beugen. Ihre großen
Festungen boten politischen Dissidenten aus dem Norden Zufluchtsorte. Keine
Regierung in der Gangesebene konnte sich wirklich sicher fühlen, wenn
sie sich nicht in irgendeiner Form mit den Rajputen-Fürsten arrangiert
hatte.
Akbars Politik gegenüber den Rajputen reichte darüber hinaus,
einfache Allianzen mit ihnen zu schließen und die Oberherrschaft der
Mogulen geltend zu machen. Die ersten Kontakte stellten zum Teil sehr
blutige Schlachten her : 1567 und 1568 beispielsweise erklärte Akbar
dem Rana von Chitorgarh (Mewar), Udai Singh Sisodia, den jihad (Heiliger
Krieg der Muslime gegen Nichtmuslime).
Der Fall seiner Festung Chitor und die Einnahme von Udaipur durch die Armee
der Mogulen führten zum Massaker an etwa 25 000 Menschen.Nachdem Akbar
demonstriert hatte, daß er imstande war, die Rajputen-Fürstentümer
zu zerstören, ging er schnell zu diplomatischen Annäherungsversuchen
über: Er warb um ihr Einverständnis für eine Integration in
den Mogul-Staat.
Einzelne Maharaja oder Stammesführer lud er ein, an der Spitze eines
Kontingents eigener Verwandter und Untertanen in der Armee zu dienen. Als
Gegenleistung zeigte sich Akbar bereit, ihnen den Besitz ihres angestammten
Landes zu garantieren. Diese Anerkennung erhöhte ihren lokalen Status
und trug dazu bei, ihre Vorrangstellung unter ihren Blutsverwandten zu
festigen. Die Moguln gestatteten den Rajputen, ihren Glauben und ihre Bräuche
beizubehalten, besonders ihre Ehre als Hindukrieger wurde respektiert. Im
Dienst des Staates hatten die Rajputen-Fürsten zudem die Möglichkeit,
in der größeren Welt des Mogul-Reichs zu Macht und Reichtum zu
gelangen. Beide Parteien zogen ihren Vorteil daraus: Der Kaiser gewann
Tausende von loyalen Soldaten und kam damit gleichzeitig der Bildung einer
von Hindus geführten, gegen die Mogulen gerichteten Koalition zuvor.
Die Rajputen-Fürsten verließen sich auf die politische Unterstützung
durch die Mogulen, um ihren Einfluß auf Land und Leute zu verstärken,
und ihr Dienst außer Landes war ein Mittel, neuen Reichtum nach
Rajputana (Rajasthan) zu bringen.
Wenn Akbar beispielsweise Rajputen auswählte, um gegen andere Rajputen
zu kämpfen, so kann man das kaum als Zeugnis tätiger Toleranz
betrachten, es verrät jedoch die Weltklugheit des Kaisers, der die Wünsche,
seiner Untertanen zu durchschauen verstand und sie für die Integration
des Reiches ausnutzte. Je älter Akbar wurde, desto mehr Freiheiten gewährte
er den Hindus und desto stärker beschnitt er die Privilegien der
Mohammedaner. Akbar heiratete auch im Laufe seines Lebens mehrere
Hindu-Prinzessinnen, vor allem aus rajputischen Fürstengeschlechtern.
Eine dieser Hindu Damen wurde die Mutter des Thronfolgers Salim (später
Kaiser Jahangir).
Die Religionausübung
Akbar
setzte früh sein politisches Gewicht gegen jene Muslimführer
durch, die von ihm die kompromißlose Anwendung islamischer Gesetze
erwartet hatten. Er hob 1563 die Pilgersteuer auf, die seine Vorgänger
Hindupilgern auferlegt hatten, die sich zu religiösen Festen
versammelten. Auch erlaubte er den Hindus, alte Tempel zu renovieren und
sogar neue zu errichten. Seine Anweisung, die den zwangweise zum Islam
Bekehrten erlaubte, ihren ursprünglichen Glauben wieder anzunehmen und
damit der Todesstrafe zu entgehen, die der Islam für Glaubensabtrünnige
bestimmte, irritierte besonders jene, die von ihm eine strenge Auslegung der
Scharia erwartet hatten. Weiterhin verbot Akbar, Kriegsgefangene zu Sklaven
zu machen und nichtmuslimische Sklaven gegen ihren Willen zu bekehren.
Ein Schlüsselelement der Ideologie war, den Kaiser als ein höheres
Wesen zu sehen, das näher zu Gott und der wahrhaftigen Wirklichkeit
stand. Er empfing demzufolge höhere Einsicht und Vollmacht und übertraf
darin die anerkannten Interpreten des islamischen Rechts, die heiligen Sufis
und sogar den ungeduldig erwarteten mahdi, den Erlöser. Bildlich
stellte sich dies als göttliches
Licht dar, das von Gott zu Akbar durch eine Kette strahlender Engel
weitergereicht wurde. War das existenzerweiternde Bild vom Fluß des
Wassers durch die Gärten des Paradieses ein im Denken der Timuriden
immer wiederkehrendes Thema, so assoziierte man mit den Mogulherrschern seit
Akbar insbesondere Weisheit und Rechtschaffenheit, was sich durch die
Ausstrahlung von Licht offenbarte.
Seit den frühen 80er Jahren begann Akbar diese Ideologie in einem
politischen Kontext zu benutzen. Er entwickelte in seinem Heerlager und am
Hof ein formalisiertes gesellschaftliches Leben und verlangte von seinem Anhängern,
ihm dort ihre Aufwartung zu machen. Hand in Hand mit seinem Anspruch, eine
große Zahl mächtiger Männer verschiedenster Herkunft und
Kultur zu lenken, entfernte sich Akbar immer mehr von konventionellen
islamischen Praktiken. Er hörte auf, Pilgerzüge nach Mekka und
Medina zu schicken, und nachdem er seine Hauptstadt 1585 von Fatehpur Sikri
nach Lahore verlegt hatte, ließ auch seine Verehrung der
Chishti-Heiligen nach. Er führte eine Reihe neuer Rituale zur Verehrung
der Sonne ein und verzichtete auf übermäßigen Fleischgenuß,
Alkohol und Sexualverkehr. Dieses Verhalten entsprach eher der Alltagswelt
des Hinduismus und stimmte mit dem Ethos seiner Rajputenelite überein.
Akbar umgab sich nun mit einem Orden von Adligen. Anläßlich von
Zeremonien, die der Verehrung der Sonne und des Lichts galten, fanden ausgewählte
Mitglieder Aufnahme in diesen Orden. Sie schworen, Leben, Eigentum, Religion
und Ehre in den Dienst des Kaisers zu stellen. Die Muslime unter ihnen
unterschrieben eine Erklärung, mit der sie die Fesseln des orthodoxen
Islam verwarfen. Während der Dauer der Zeremonie lag der Initiierte
ausgestreckt vor dem Kaiser, Akbars Fuß ruhte auf seinem Kopf. Als
Zeichen der Zugelhörigkeit zu dieser inneren Gruppe erhielt der Adlige
einen besonderen Turban, ein getriebenes Medaillon mit einem Bild der Sonne
und ein Miniaturporträt des Kaisers, das er zu tragen hatte. Am Ende
gehörten wahrscheinlich die meisten der Mogul-amire (Militärführer)
diesem auserwählten Kreis an; es erwies sich als ein sehr effektiver
Weg, eine heterogene Gruppe von Adligen zu assimilieren und sich ihrer
Loyalität gegenüber dem Thron zu versichern. Diese Entwicklung
bezog sich in der Tat auf verschiedene angesehene islamische Traditionen.
Akbar war ein außerordentlich weitsichtiger Staatsmann und Feldherr.
In dem halben Jahrhundert seiner Herrschaft (1556- 1605) formte er als einer
der bedeutensten Kaiser der indischen Geschichte die Grundlagen des
neuzeitlichen Indiens.
Nach und nach hatte er seine Macht ausgeweitet. Akbars Reich mit Agra als
Hauptstadt umfaßte das Punjab, die Gangesebene bis Allahabad und
Gebiete Rajputana ( Rajasthan ). Bengalen einschließlich Bihar und
Orissa wurde von einer afghanischen Dynastie regiert. Die Rajputen
kontrollierten den größeren Teil Rajputanas. Malwa und Gujarat
waren mohammedanische Staaten wie fünf Sultanate des Dekkan (Bijapur,
Ahmednagar, Berar, Bidar und Golkonda). Im Süden war Vijainagar bereits
im Niedergang, hatte aber noch Einfluß. Portugal hatte sich seit einem
halben Jahrhundert in Goa einen Stützpunkt geschaffen. Nach den
Vokabeln der Macht war Akbars Staat einfach einer unter mehreren
rivalisierenden Staaten, aber als Nachfolger des Sultanats von Delhi hatte
er einen, wenn auch vagen, Anspruch auf die Vasallentreue verschiedener
Regionalreiche.
Was Akbars letzte Jahre verbitterte, war die Rebellion seines Sohnes Salim,
der zur Macht drängte. Da er der einzige überlebende Sohn des
Kaisers war, mußte Akbar ihn schonen. Nur unter großen
Schwierigeiten gelang es ihm, seinen Sohn zu zügeln und einen
friedlichen Thronwechsel einzuleiten.
Akbar starb am 25. Oktober 1605 und wurde in einem großartigen
Grabmal beigestzt, das er sich in Sikandra vor den Toren Agras hatte erbauen
lassen.