Die Gadia Lohar sind eine Volksgruppe,
deren wesentliches Merkmal es ist, ständig in Bewegung zu sein, und die
ihre Zelte aufschlagen, wo immer ihre Laune sie hintreibt.
Geboren und aufgewachsen in offenen Lagern, trotzen sie der brennenden
Sonne, den rauhen Winden und Überschwemmungen in der Regenzeit. Ihre
Liebe zur Natur und ihre Ungebundenheit sucht ihresgleichen. Dieses
lebhaften, farbenfreudigen und ein wenig mysteriösen Menschen haben
ihre ureigene Identität, die sie unerschütterlich an ihren Gebräuchen
und Traditionen festhalten läßt.
Sie sind die stolzen Besitzer einer besonderen Art von Karren, der ihr Heim
auf Rädern ist. Das Wort Gadia wurde davon abgeleitet. Er ist höher
und länger als die üblichen Karren auf dem Land, von dunklerer
Farbe und häufig mit Eisen und Messing verziert. Die Räder haben
eine spezielle Gestaltung, die ins Altertum zurückführt. Der
Karren hat normalerweise drei Fächer, in denen sie ihre Wertgegenstände
und Haushaltgeräte aufbewahren. Wenn sie ihr Lager verlassen, besitzen
sie Ochsen, die meist verkauft werden, wenn sie die Städte errreichen.
Der Wagen wird nicht verkauft, da er ein Gegenstand der Verehrung ist. Das
Leben unter schwierigen Bedingungen hat die Lohars Fremden gegenüber mißtrauisch
gemacht. Zu ihrem Schutz führen sie eine Menge Waffen mit sich. Ein
merkwürdig aussehendes Gerät, ghihri genannt, wird normalerweise
gebraucht, um Gras und Feuerholz vom Feld zum Haushalt zu ziehen. Auf der
Jagd und zu zeremoniellen Anlässen benutzen sie ein kurzes, dickes,
gekrümmtes Schwert, genannt Talwar. Es steckt normalerweise in einer
dekorativen Scheide aus Samt, bestickt mit Goldfäden. Es ist
erstaunlich, diese wunderschönen und wertvollen Dinge inmitten der sie
umgebenden Armut zu sehen. Aber diese Zigeuner sind nicht deprimiert durch
die Armut. Sie haben keine Zeit für Selbstprüfung und die Suche
nach dem Sinn des Lebens. Für sie gibt es nur die Gegenwart.
Die Gadia Lohar sprechen eine Sprache, die dem Hindi sehr ähnlich ist.
Sie verdienen ihren Lebensunterhalt auf dem Land als Schmiede, die
landwirtschaftliche und Haushaltsgeräte herstellen und reparieren.
Tätowierungen sind sehr beliebt bei den Frauen. Sie glauben, daß
großzügiges Tätowieren ihrer Schönheit schmeichelt. Die
beliebtesten Muster sind Punkte, Kreise und Halbmonde im Gesicht, Papageien,
Skorpione, Blumen und Bilder verschiedener Götter und Göttinnen
auf dem Arm, eine große Vielfalt von Blumenmustern auf den Waden und
ein Pfauenpaar zwischen den Brüsten. Außer den Mustern, die rein
dekorativ sind, gibt es Motive, die eine spezielle Bedeudung haben. Der
Punkt auf der Stirn symbolisiert Lakshmi, die Göttin von Reichtum und
Wohlstand, runde Gruppen von Punkten symbolisieren den Lotus oder das
Heilige Rad, die Swastika ist die Sonne. Pfauenfedern werden
traditionellerweise mit der Krone Krishnas gleichgesetzt. Selbst Männer
lieben es, ihren Körper durch Einbrennen von drei bis vier kreisförmigen
Mustern, genannt damla, zu verzieren. Sie glauben, daß die Seele diese
Symbole als einziges mit in den Himmel trägt.
Die farbenfrohe Kleidung dieses Hirtenvolkes blendet die Augen. Die Männer
tragen Lendentuch, Hemd und Jacke. Die Köpfe sind mit farbenfrohen
Turbanen bedeckt. Die Frauen tragen weite Röcke, langärmelige
Blusen und Schleier, die bei der Arbeit im Rock festgesteckt werden. Die
Stoffe sind mit Holzstempeln bedruckt oder in leuchtenden Farben eingefärbt.
Die Muster sind phantasievoll und farbenfroh. Die Farben werden aus Erde,
Mineralien und Gemüseextrakten gewonnen. Die Muster weisen auf
verschiedene Gruppen hin. Ihre Schuhe sind kunstvoll und reich verziert,
halten lange und werden vom örtlichen Schuster handgenäht.
Ein Gadia Lohar widmet seiner Frisur viele Stunden. Die Frauen scheiteln ihr
Haar in der Mitte und flechten hinten einen Zopf. Die Männer hatten die
Gewohnheit, ihr Haar abzurasieren und nur einen langen Haarschweif auf dem
Hinterkopf zu behalten. Aber dieser Stil verliert langsam an Beliebheit.
Einen Bart tragen sie aber immer zur Schau- ein sicheres Zeichen für
ihre Männlichkeit. Die Frauen tragen außergewöhnlichen
Schmuck-Armreifen manchmal noch aus Elfenbein, entweder naturfarben oder gefärbt
an ihren Unterarmen und eine silberne Kugel auf der Stirn, dort, wo der
Scheitel beginnt. Ihre Ohrringe sind groß. Jhela, ein weiteres
Schmuckstück, wird entlang des Haaransatzes getragen. Die Nasenstecker
sind schwer. Ältere Frauen ziehen es vor, eine eng anliegende, breite
Kette um den Hals zu tragen. Ihre Religion ist aus ihrer ländlichen
Herkunft begründet. Ihre Schutzgottheiten sind Muttergöttinnen,
die Shakti, Ramdeoji symbolisieren.
Hochzeiten werden mit viele Freude und lauter Lustbarkeit gefeirt. Es gibt
immer noch Kinderhochzeiten. Nachdem die Heiratsverhandlungen stattgefunden
haben, sendet der Vater des Jungen Kleider und Armreifen zum Haus des Mädchens.
Eine Mitteilung wird zum Hause des Jungen geschickt, pillichitti genannt das
ist ein mit Gelbwurz gefärbter Brief. Der Brautpreis wird festgelegt.
Aakhteej, der dritte Tag der hellen Hälfte des Monats Baisakh gilt als
glückverheißender Tag für eine Hochzeit. Während der
Heirat versammeln sich die Frauen in ihren Häusern und singen Loblieder
auf die Tapferkeit des Jungen und die Schönheit des Mädchens. Die
weiblichen Verwandten reiben eine Paste aus Gelbwurz, Gerstenmehl und Sesamöl
auf die Haut von Braut und Bräutigam. Nach der Hochzeit wird der
Brautpreis vom Vater des Jungen bezahlt.
Eine
Witwe der Gadia Lohar kann nur Sonnenabend Nacht wieder heiraten. Die
Eltern der Witwe laden die Verwandten des Mannes ein, nach dem Abendessen
schlüpft das Paar aus dem Haus, und die Trauung wird von einer
anderen Witwe vollzogen. Eheauflösung findet ohne jegliche Formalitäten
statt, da die Lohar recht radikale Ansichten über Scheidung haben.
Das Mädchen hat volle Entscheidungsfreiheit.
Die Gadia Lohar folgen dem Panchayiti-System. Jeweils hundert Wohnwagen
haben einen Panchyat (Rat), der aus der älteren Generation gewählt
wird. Strafen werden je nach Schwere des Vergehens erteilt. Es ist ein
Verbrechen, gegen die Vorschriften der Gemeinschaft zu verstoßen,
und manchmal wird der Gesetzesbrecher sogar aus dem Klan ausgestoßen.
Nur selten wird das Gesetz zu Hilfe genommen, um Probleme zu lösen.
Die Gadia Lohar sind dem Alkohol sehr zugetan. Rohzucker wird mit der
Rinde des dornigen Mimosenbaumes gemischt und in einem irdenen, halb mit
Wasser gefüllten Topf eingeweicht. Zur gründlichen Gärung
wird er eingegraben, und nach einer Woche wird das Gebräu
destilliert. Das berauschende Getränk und der Tanz und die Lieder der
Frauen sorgen für eine ausgelassene abendliche Stimmung. Lagerfeuer
brennen, die Männer sitzen zusammen, um zu zechen, und die Frauen
singen Lieder von interessanten Begebenheiten ihres eigenen Lebens. Sich
schwingend und drehend, anmutig dahingleitend, tanzen sie bis in die frühen
Morgenstunden.