Indien ist stolz darauf, die größte
Demokratie der Welt zu sein. Indiens Verfassung, die am 26. Januar
1950 in Kraft trat, zählt mit 395 Artikeln und neun Anhängen zu
den umfangreichsten der Welt. Die Verfassungsväter übernahmen 250
Artikel aus der Kolonialverfassung von 1935 und griffen auf die Erfahrungen
anderer Demokratien zurück.
Laut
Verfassung ist Indien eine sozialistische, säkulare und demokratische
Republik. Die Verfassung enthält u.a. das allgemeine Wahlrecht und
einen Menschenrechtskatalog, der die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert
und eine Diskriminierung nach Religion, Kaste und Geschlecht untersagt.
Das indische Parlament hat zwei Kammern:
Die Rajya Sabha, das Oberhaus, zählt 245 Mitglieder. Maximal zwölf
Mitglieder werden direkt vom Staatspräsidenten ernannt, die restlichen
Parlamentarier werden in indirekten Wahlen von den jeweiligen
Landesparlamenten für sechs Jahre gewählt.
Zweite Kammer ist
die Lok Sabha, das Unterhaus. Sie umfasst 543 auf
sechs Jahre gewählte Abgeordnete und zwei vom Staats-präsidenten
ernannte Vertreter der anglo-indischen Gemeinschaft. 530 Abgeordnete kommen
aus den Unionsstaaten, 13 aus den Territorien. 120 Abgeordnete werden von
den unteren Kasten und den so genannten Stammesangehörigen (Tribes) gewählt.
Die Wahl zum Unterhaus erfolgt nach einfachem Mehrheitswahlrecht mindestens
alle fünf Jahre.
Staatsoberhaupt ist der indirekt von einem gemeinsamen Gremium der
Abgeordneten des Bundes und der Länder auf fünf Jahre gewählte
Staatspräsident. Das Amt ist zwar eher repräsentativ ausgerichtet,
aber die Verfassung hat es doch mit einer gewissen Machtfülle
ausgestattet. Der Staatspräsident ist Oberkommandierender der Armee und
kann die demokratischen Freiheiten stark einschränken.
Der Premierminister ist das politische Machtzentrum. Er ist dem Unterhaus
verantwortlich, bestimmt die Minister, die der Staatspräsident ernennt,
und kann das Parlament auflösen. Das Parlament selbst wiederum kann den
Premierminister durch einfaches Misstrauensvotum stürzen. Der Premier führt
zusammen mit dem Ministerrat die Regierungsgeschäfte und hat die
Richtlinienkompetenz.
Die Aufgaben des Parlaments liegen in der Gesetzgebung und der Kontrolle
der Re-gierung. Es muss den Haushalt ebenso genehmigen wie einen möglichen
Ausnahme-zustand.
Indien ist ein föderaler Staat aus 28 Bundesstaaten mit weitgehenden
Kompetenzen sowie sieben Unionsterritorien, die der Zentralregierung
unterstellt sind. Zwar hat die Zentralregierung wichtige Kompetenzen
(Gesetzgebungskompetenz über die Landesverteidigung, Außenpolitik,
Binnenhandel, Transport und Kommunikation), aber die Unionsstaaten können
Gesetze zur Lokalverwaltung, Gesundheits-, Erziehungs- und
Landwirtschaftspolitik erlassen. Der konkurrierenden Gesetzgebung
unterliegen das Straf- und Familienrecht, Arbeitsbeziehungen, soziale
Sicherheit, Wirtschaftsplanung und Preiskontrollen zur Angleichung der
Lebensverhältnisse.
Indien besitzt eine vielfältige Parteienlandschaft. Zur Zeit sind
sechs nationale, 51 regionale (auf Ebene der Bundesstaaten vertretene) und
160 weitere Parteien registriert. Zu den wichtigsten Parteien zählen
die Kongresspartei (Indian National Congress, INC), die Partei der
Hindu-Nationalisten BJP und die Kommunistische Partei. Während die
Kongresspartei die Trennung von Religion und Politik sowie den Schutz der
Minderheiten hochhält, tritt die BJP für die Schaffung einer möglichst
einheitlichen indischen Kulturnation unter Dominanz des Hinduismus ein. Die
Kommunisten hingegen vertreten eine Politik der Entwicklungsländersolidarität,
sind für eine strikte Kontrolle des Kapitals, fordern die Einführung
von Mindestlöhnen und umfangreiche Landreformen, halten aber an der
Privatwirtschaft fest.
Die indische Demokratie hat seit ihrem Bestehen im Großen und Ganzen
sehr gut funktioniert und das, obwohl zahlreiche innenpolitische
Probleme das System vor große Herausforderungen stellten und stellen.