Tamil
Nadu: Nirgendwo sonst hat sich indische Kultur so unverfälscht
erhalten wie in dem südlichsten Bundesstaat des Subkontinents. Vor
allem gegenüber dem indo-arischen Bundesstaat des Sukontinents. Vor
allem gegenüber dem indo-arischen Norden betonen die Südinder ihre
dravidische Identität. Den Grundstein dieser kulturellen und
sprachlichen Eigenständigkeit legten die bereits vor über 1,000
Jahren im Süden herrschenden großen Dynastien der Pallavas
(Kanchipuram), Cholas (Thanjavur) und Pandyas (Madurai). Der die gesamte
Region bis heute prägende indische Einfluss hat seine Ursprünge in
der wirschaftlichen und kulturellen Blütezeit der südindischen
Dynastien.
Das im wahrsten Sinne des Wortes herausragende Monument dieser kulturellen
Eigenständigkeit sind die oftmals mit Hunderten von bunten Götterfiguren
übersäten Tempeltürme (Gopurams). Städte wie Madurai,
Chidambaram, Tanjore und Tiruchirapalli (Trichy) sind klassische Beispiele südindischer
Tempelsädte, in denen sich das gesamte leben um die im Stadtzentrum
stehenden Gotteshäuser dreht. Religiöser und kultureller Fixpunkt
im Alltagsleben der Tamilen sind die zahlreichen Tempelfeste. Kaum ein
Bundesstaat verfügt über einen derart reichen Festtagskalender.
Religiosität gehen hier eine faszinierende, das Lebensgefühl der
Tamilen spiegelnde Symbiose ein.
Das Land der Tamilen (Tamil Nadu) ist das einzige Bundesland Indiens, in
dem die muslimischen Eroberer so gut wie keine Spuren hinterlassen haben.
Selbst der britische Einfluss ist minimal. Dies ist umso erstaunlicher, als
die heutige Hauptstadt Chennai, das ehemalige Madras, das Eingangstor der
britischen Eroberer auf dem Indischen Subkontinent bildete.
Zu einem eigenständigen Bundesstaat wurde Tamil Nadu erst 1959. Es
besteht aus dem Kernland der ehemaligen Madras Presidency, zu der auch Teile
von Andhra Pradesh und Karnataka sowie das gesamte Territorium des heutigen
Kerala gehörten.
Bis heute ist Tamil Nadu ein vornehmlich landwirtschaftlich geprägtes
Gebiet, abgesehen von der Hauptstadt Chennai, die sich zu einem Zentrum des
industriellen Fortschritts entwickelt hat (Petrochemie, pharmazeutische
Industrie, Maschinenbau und Autoindustrie). Nicht ausufernde Millionenstädte
mit allen Negativerscheinungen ungezügelten Wachstums prägen die
Szenerie, sondern kleine, friedliche Dörfer und scheinbar
landwirtschaftliche Anbauflächen. Aufgrund der vielfältigen
Landschaftsformen, die von den trockenen Regionen im Südosten über
die fruchtbaren, von den großen Flüssen gespeisten Anbauflädchen
im Osten und im Zentrum bis zu den Hochebenen und Hängen der
Kardamom-und Nilgiri-Berge reichen, bietet sich eine große Vielfalt
landwirtschaftlicher Anbauprodukte. Hierzu gehören unter anderem
Zuckerrohr, Baumwolle, Chilies, Reis, Hirse, Kaffee, Tee und Kokosprodukte.
Zur würzigen Mischung dieses abwechslungsreichen Bundeslandes trägt
auch die berühmt-berüchtigt scharfe, fast ausschließlich
vegetarische Küche der Tamilen bei. Die höchst interessante und
sympathische Kombination aus landschaftlicher Schönheit,
kunsthistorischen Schätzen und freundlichen, unaufdringlichen Menschen
macht eine Reise durch den äußérsten Süden des
Subkontinents zu einem Höhepunkt jeder Indienreise.