Pushkar ist die Krönung aller Pilgerstätten Indiens. 400 Tempel
bezeugen die Bedeutung dieses Ortes, auch die 52 Ghats, die zum Lotossee
hinunterführen. Diese Ghats wurden von den Fürsten von Rajasthan
erbaut. Brahma Ghat, Gau Ghat und Varah Ghat sind die drei wichtigsten. Sie
sind Hauptattraktion von Pushkar, und dienen den Pilgern als Badeplatz. Die
Pilger vollziehen ihre Rituale in dem festen Glauben, sich damit von den Sünden
ihres Lebens reinzuwaschen. Die Pilger tauchen unter im Wasser. Sie reinigen
sich, spülen Mund und Zähne, gurgeln oft lange mit dem heiligen
Wasser - da wundert es, daß keine Krankheiten und Seuchen entstehen.
Auf den Ghats erheben sich viele kleine Tempel und erstrahlen im sanften
Licht der aufsteigenden Sonne. Am Morgen und Abend hallen sie vom
vibrierenden Klang des Muschelhorns wider, mit denen zum "Aarti",
dem gesungenen Gebet geblasen wird, begleitet vom Glockengeläute zur
Ehre von Brahma.
Aus Tempeln und Schreinen nahe dem See dringen Duftwolken qualmender Räucherstäbchen,
das Glockengeläut wird immer stärker, verdichtet die Atmosphäre
konzentrierter Gläubigkeit. Die Pilger suchen Läuterung, Beistand
und Segen und peilen das nächste Ziel an : den Brahma-Tempel.
Viele der Pilger kommen, um hier das letzte Rituale für einen
Verstorbenen aus dem Familien - oder Bekanntenkreis zu vollziehen. Um sich
zu reinigen, lassen sie sich ihr Haar abschneiden und nehmen ein Bad im
heiligen See. Danach führen sie mit Hilfe eines Priesters das Ritual
durch.
Zur
Zeit der Mela (Vollmondnächte) versammeln sich die Gläubigen ab
drei Uhr nachts an den Ghats, um ein heiliges Bad zu nehmen. Die Sünden
werden abgewaschen, der Geist gereinigt. Pilger aus ganz Rajasthan, Männer
und Frauen stehen bis zu den Knien im Wasser. Die frommen Pilger beschreiben
rituelle Zeremonien mit Armen und Händen, halten in ihren hohlen Handflächen
das heilige Wasser zum Himmel und beten : "Erlöse meine Seele vom
Kreislauf der Wiedergeburten, oh Pushkar Raj". Sie erbitten die
Absolution, während das Wasser tropfenweise über die Fingerspitzen
rinnt.
Einige lassen Blattboote mit Blumen, einem Öllicht oder Kerzenstummel
den See hinunter treiben und schicken ihre Gebete, Wünsche und
Hoffnungen auf den langen Weg zu den Göttern.
Viele Priester (Pandas) beschäftigen sich mit allen möglichen
Ritualen und erteilen den Gläubigen ihren Segen, indem sie ihnen als Glück
verheißendes Zeichen einen Farbtupfer auf die Stirn malen. Die ausländischen
Touristen sollten sich an den Ghats größte Zurückhaltung
auferlegen.
Man kann mit Leichtigkeit den ganzen Tag an den Ghats sitzen, Tag für
Tag, und sich trotzdem nicht langweilen.
Der Brahma-Tempel
Pushkar ist der einzige Ort Indiens mit einem Brahma Tempel. Die Ursprünge
dieses Tempels liegen im Dunkeln. Dem letzten Mogulkaiser Aurangzeb war
allerdings das populäre Hinduheiligtum nahe der größten
islamischen Wallfahrtsstätte Indiens ein Dorn im Auge und in blindem
Fanatisums ließ er den Bahma-Tempel zerstören. Bald nach des
Kaisers Tod begann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der
Wiederaufbau durch großzügige Stiftungen von den Fürsten und
eifrigen Gläubigen Indiens. Die Fürsten und Kaufleute trachteten
durch Tempelstiftungen den Segen der Priesterschaft, Verdienst für die
Ewigkeit und Ruhm in allen Landesteilen zu erlangen.
Die Morgendämmerung in Pushkar beginnt nicht mit Vogelgezwitscher,
sondern mit den Trommeln und Glocken des Brahma-Tempels. Das erste
Gebetsritual findet um vier Uhr morgens statt. Dieses Ritual ist das
Wichtigste des Tages. Um an diesem Ritual teilnehmen zu können, muß
man zuerst ein Bad im See nehmen.
Vor dem Tempel reihen sich lange Ladenzeilen mit Opfergaben, wie kunstvolle
Blütengirlanden. Räucherwerk, Öllampen, Duftstoff, Wasserkrüge
und Farbpulver in allen Schattierungen zum Auftragen des Stirnmals,
aneinander. Dovotionalien, Götterstatuen, Ritualgeräte und
Kultbilder für Hausaltäre und Dorfschreine werden in allen möglichen
Qualitätsabstufungen feilgeboten, in Holz, Metall, Papiermache, Stoff
und fleischfarbenem Plastik.
Die Pilger treten durch die äußere Pforte in den Innenhof. Über
dem Eingang ist das Symbol des Brahma, die Gans, zu sehen. Innerhalb des
Tempelbezirks finden sich auch mehrere kleine Tempel. Auf dem Boden ruht
eine Schildkröte, Kurma. Es war Brahma, der die Form einer Schildkröte
annahm und die Welt erschuf. Golden leuchten die Augen der viergesichtigen
Statue des Gottes aus der Tiefe des Temples.
Tagsüber pflanzen Pfauen, Rajasthans Wappentiere, gern ihre
buntschillernden Räder wie Standarten auf die Tempeltürme.