Das Periyar- Naturschutzgebiet, das
inzwischen zu den 16 Reservaten im Rahmen des Project Tiger zählt, ist
ein interessantes Beispiel dafür, daß Entwicklung durchaus nicht
immer unvereinbar sein muß mit den Belangen der Natur, Vor hundert
Jahren hatte der britische Ingenieur Colonel J. Pennycuick die Idee, den
Periyar aufzustauen, der durch einige der schönsten Waldgebiete der
westlichen Ghats in Kerala - fließt. Er machte einen Plan, der 1895 in
die Tat umgesetzt wurde. Die den Stausee umgebenden Wälder stellte der
Maharadscha von Travancore unter Schutz. Heute ist des 777 qkm große
Schutzgebiet ein Tigerreservat. Das Staubecken an sich ist 55 qkm große,
und dies bedeutete, daß, der schönste Teil des Waldes im Flußtal
im Wasser versank. Die schwarzen Stumpen, die man noch heute aus dem See
ragen sieht - ein ebenso unheimlicher wie herrlicher Ablick, wenn sich frühmorgens
im Winter der Nebel lichtet -, sind die einzigen Überbleibsel der einst
üppigen Vegetation des Tales. Doch der Stausee hatte nicht nur negative
Auswirkungen. Nicht zuletzt durch ihn ist der Periyar eines der schönsten
Naturschutzgebiete der Welt. Für die Tiere ist der Stausee von großer
Bedeutung: sie können sich hier das ganze Jahr über mit Wasser
versorgen und finden in den das Staubecken umgebenden Wäldern Schutz.
Die einzige flache Gegend des Periyar ist das sumpfige Grasland am Ende
der fingerförmigen Ausläufer des Sees. Die für ihn typische
Landschaft ist sanft hügelig oder bergig. Das eigentliche Waldgebiet
ist gar nicht so sehr waldig, sondern wird aufgelokkert durch große
Graslandabschnitte. Doch gerade das macht ein dynamisches Ökosystem
aus-dichter Waldwuchs, der Schutz bieter und im Sommer Schatten und Nahrung,
und gleich anschließend saftiges Weideland, das vor allem größere
Pflanzenfresser ernährt.
Im Periyar gibt es grob gesehen vier verschiedene Vegetationsformen: Die
erste ist das offene Grasland. Hier gedeihen neben den verschiedenen
Grassorten, wie zum Beispiel Elefantengras, auch vereinzelt feuerresistente
Bäume und Sträucher. Es bietet nicht nur den großen
Pflanzenfressern wie Gaur oder Elefanten Nahrung, sondern auch den kleineren
wie Wildschwein oder Muntjak. Daneben gibt es die feuchten Waldgebiete, wo
vor allem Bäume wie Terminalia und Teak (Tectona grandis) wachsen. Sie
verlieren jahreszeitlich bedingt ihre Blätter.
Der halb-immergrüne Wald, der in den feuchten Gebieten entlang der Flüsse
vorkommt, gedeiht oft Seite an Seite mit dem immergrünen Regenwald. Und
schließlich gibt es noch tropischen, immergrünen Dschungel, der
in den Tälern vorkommt. Hier werden die Bäume bis zu 30 oder 40
Meter hoch. Das undurchdringliche Blätterdach läßt nur
wenige Sonnenstrahlen durch, und in den feuchten, dunklen Korridoren
gedeihen Farne, Orchideen und Luftwurzler im Überfluß. Es gibt
kaum ein anderes Schutzgebiet auf der Welt, wo man das Verhalten der
Elefanten so bequem und so ungefährdet beobachten kann wie hier.
Die gesamte Elefanten- Population umfaßt 800 Tiere, und man kann an
die friedlich fressenden, oder badenden Grüppchen bis auf 20 Meter
herankommen. Nach dem Bad vergnügen sich die Tiere manchmal bei ihrer
speziellen Version der Schlammschlacht: sie sprühen sich mit dem Rüssel
Staub auf den Rücken. Diese Prozedur verhindert Parasitenbefall und schützt
ihre Haut vor der Sonne. Was auch immer der Grund dafür sein mag, es
ist jedenfalls ein überwältigender Anblick.
Ein für das Periyar-Schutzgebiet typischer Anblick sind
Schlangenhalsvögel und Kormorane,die auf den aus dem See herausragenden
Wipfeln der überschwemmten Bäume sitzen und sich sonnen. Mit dem
Boot kommt man auf wenige Meter an die Tiere heran, ohne daß sie Angst
bekommen, Für Watvögel ist der See zu tief, doch ideal für
Fischfresser wie Fischadler, Graufischer und Milane. Auch Otter, geschickte
Fischer, sieht man häufig im flacheren Wasser jagen oder am Ufer
entlangspringen, während ihr Fell in der Sonne glänzt.
Zwei verschiedene Arten von Nashornvögeln entdeckt man in Periyar auf
Schritt und Tritt. An der Bootsanlegestelle stehen mehrere Obstbäume,
in denen sich diese Vögel gerne aufhalten und auch Beos, Pirole und
spatelschwänzige Drongos. Das erste, was man von einem Nashornvogel oft
wahrnimmt. ist das weithin vernehmliche Rauschen seiner Schwingen, wenn der
schwere Vogel über einen hinwegfliegt. Der Ruf der Nashornvögel
erinnert an hysterisches Gelächter und ist eines der lautesten Geräusche
des Waldes.
Es gibt einige Tierarten, die ganz in der Nähe der Unterkünfte
und der anderen Anlagen im Schutzgebiet beobachtet werden können. Im
Periyar leben vier Arten von Affen; eine seltene und gefährdete
Makakenart mit löwenähnlichem Schwanz, der Nilgirilangur, der
Hulman, der an der östlichen Grenze des Schutzgebietes vorkommt, und
der Indien-Hutaffe, der in den Randzonen anzutreffen ist. Das hübsche
Malabar-Hörnchen läßt den Besucher ziemlich nah an sich
heran, und sein lautes, aufgeregtes Geschnatter in den Bäumen ist
weithin zu vernehmen.
Eine weiteres großes Hörnchen dieser Gegend ist des Flughörnchen,
doch sollte man auf eine helle Mondnacht warten, um dieses Nachttier zu
beobachten und zu belauschen. Es kann im Gleitflug Strecken von 180 bis 280
Metern zwischen zwei Bäumen zurücklegen. Fughörnchen stoßen
ein lautes, klagendes Gurren aus, das man leicht heraushören kann, wenn
man weiß, wie es klingt.
Da Boote die einzigen Transportmittel innerhalb des Schutzgebietes sind
(Autos dürfen nur bis zu dem Touristenzentrum), kann man in kurzer Zeit
große Strecken zurücklegen, und so ist ein Aufenthalt von drei
oder vier Tagen völlig ausreichend, wenn man morgens und abends mit dem
Boot hinausfährt und in der Zwischenzeit die Tiere am Seeufer
beobachtet.
Die beste Zeit für einen Besuch im Periyar ist von Oktober bis April.
So umgeht man den Süd-West-Monsun. Wenn im März und April das
Wasser knapp und das Gras trocken wird, halten sich die Tiere gezwungenermaßen
in der Nähe des Sees auf, auf den speziell die Elefanten in dieser Zeit
angewiesen sind. Es ist die Zeit des Jahres, wo man die grauen Riesen beim
Baden und Schwimmen beobachten kann. Sie tun dies zur Kühlung und um
von einem Weidegebiet ins nächste zu gelangen. Das Gras ist dann sehr
kurz und die Sichtverhältnisse für Tierbeobachter optimal.